20. 12. 2023 Die Pannenwahl 2021 in Berlin

Das gestrige Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Teil-Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin wird keine akuten politischen Folgen haben, ist doch Zahl der Wahlberechtigten letztlich so gering, dass politische Veränderungen nicht zu erwarten sind.

Peinlich: Auch die Ampelparteien im Bundestag haben sich blamiert bei der Korrektur der fehlerhaften Wahl. Der Bundestag habe das Wahlgeschehen „unzureichend aufgeklärt, da er auf die gebotene Beiziehung und Auswertung der Niederschriften der einzelnen Wahlbezirke verzichtet hat“, stellt das BVerfG fest und korrigiert in seinem Urteil den Beschluss der Ampel-Parteien, die die Wahl nur in 327 der 2256 Berliner Wahlbezirke sowie in 104 der 1507 Briefwahlbezirke wiederholen lassen wollten, statt in den gesamten sechs vom Bundeswahlleiter angefochtenen Wahlkreisen.

Die CDU/CSU-Fraktion hatte dagegen in Karlsruhe geklagt und jetzt teilweise Recht bekommen. Das BVerfG erklärte nun die Wahl in zusätzlichen 31 Wahlbezirken für ungültig. Der Beschluss der Ampel-Parteien sei aber „materiell im Ergebnis überwiegend rechtmäßig“.  

Die großen Sieger des Urteils sind vor allem die Abgeordneten der Partei Die Linke beziehungsweise die aus ihr mittlerweile ausgetretenen Abgeordneten um Sahra Wagenknecht. Sie waren damals nur wegen dreier Direktmandate in kompletter Stärke ins Parlament eingezogen, denn dadurch wurde die 5-Prozent-Hürde aufgehoben. Zwei der drei Direktmandate betreffen Berlin. Es ist aber praktisch so gut wie unmöglich, dass diese nun verloren gehen, wenn nur rund ein Fünftel der Berliner Wahlberechtigten neu wählen darf. 

Es bleibt nach diesem Urteil neben viel Peinlichkeit auch ein fader Nachgeschmack. Warum wurde die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, die gleichzeitig in denselben Wahllokalen und von denselben Organisatoren und mit ähnlichen, teilweise identischen Fehlern und Pannen verbockt wurde, komplett wiederholt, was letztlich sogar zu einem Regierungswechsel führte, während die Bundestagswahl nur zu etwa einem Fünftel wiederholt wird? Gibt es da wirklich so entscheidende Unterschiede in der Schwere der Pannen, die den fundamentalen Unterschied zwischen den Urteilen des Berliner Verfassungsgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigen? Bestätigt sich damit der nicht gerade justiz-freundliche Volksspruch „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“?

Diesen Unterschied erklärt die Vorsitzende Richterin König laut dpa mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen der Konstituierung verschiedener Parlamente. Bei der Berliner Landeswahl seien Wahlfehler wie die Verwendung kopierter Stimmzettel aufgetreten, die bei der Bundestagswahl nicht feststellbar gewesen seien.

Juristen mit wahlrechtlicher Fachexpertise mag das möglicherweise zufriedenstellen, die Wählerinnen und Wähler, also den gemeinen Durchschnittsbürger jedoch nicht..