13. 1. 2023 Die Fachkompetenz unserer Ministerinnen und Minister
Die Ministerposten in Bund und Ländern werden nach Parteizugehörigkeit und Proporz (Mann oder Frau, evangelisch oder katholisch, Bundesland und dgl.) besetzt. Die Eignung, die bei der Besetzung von Beamtenstellen neben der Leistung und der Befähigung eine wichtige Rolle spielt, wird hier ausgeblendet.
In Thüringen wurden nun eine Sachbearbeiterin ohne juristisches Studium als Justizministerin nominiert und ein Schauspieler als Energieminister. Doreen Denstädt, frühere Rugby-Spielerin und Punk, zuletzt Polizistin, sowie Bernhard Stengele erhalten demnächst diese neuen Aufgaben, weil die thüringischen Grünen zwar nur eine geringe Personaldecke, aber sehr hohe Ansprüche haben. Quote schlägt im Zweifel Qualität.
So bizarr der Fall aus dem Land in Deutschlands Mitte anmuten mag: Fachliche Qualifikation ist immer seltener die Eintrittsbedingung vor allem bei den Grünen. Von dem Philosophen Habeck als Wirtschaftsminister oder Baerbock als Außenministerin wollen wir gar nicht erst sprechen.
SPD-Genossin Christine Lambrecht, die derzeit prominenteste fachfremde Ressortchefin ist zwar eine Juristin und Anwältin, hatte aber vor ihrer Ernennung zur Verteidigungsministerin kaum Berührungen mit der Bundeswehr.
Wer in Friedenszeiten die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte innehat, sollte diese nicht nur vom Hörensagen kennen. Es braucht Gespür, Erfahrung und Expertise. Die Lücke zwischen Autorität und Kompetenz fällt in diesem Amt besonders auf, zumal in den heute geopolitisch bewegten Zeiten.
Derlei gab es auch bei der Union: Bereits Lambrechts ebenso fachfremde christdemokratische Vorgängerin, die Medizinerin Ursula von der Leyen, verließ das Bundesministerium der Verteidigung als Gescheiterte. Das war allerdings Qualifikation genug, um nun in Brüssel als Chefin der EU zu wirken.
Zurück zu den Grünen. Sie loben die designierte thüringische Justizministerin für ihr „gelingendes Verwaltungshandeln“, den „direkten Zugang zu den Menschen“, das „hohe Bewusstsein für Strukturen“ und das jahrelange „Engagement gegen Rassismus“, was auch immer man darunter versteht. Denstädt sei „als schwarze Frau“ ein „hervorragendes Zeichen“ – ein Symbol also. Da das Justizministerium in Erfurt ein „Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz“ ist, das Recht also nur an zweiter Stelle rangiert, hat diese Wortgirlande einen wahren Kern. Es soll offenbar mehr auf Moral als auf Rechtspolitik ankommen.
Die weltanschauliche Überformung der Justizministerien ist nicht auf Thüringen beschränkt. Wenn linke Parteien an der Regierung beteiligt sind, lassen sie sich das Ressort selten entgehen. Zu groß ist die Neigung, auf dem Rechtsweg den Umbau der Gesellschaft zu unterstützen. Im Bundesland Berlin leitet Lena Kreck, Mitglied der Partei Die Linke und im Besitz des ersten juristischen Staatsexamens, die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung.
In Hamburg steht die grüne Senatorin Anna Gallina der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz vor, wofür sie sich durch ein Studium der Politikwissenschaft, der Philosophie und auch des öffentlichen Rechts qualifiziert hat. In Sachsen wiederum gibt es ein Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung. Es wird geleitet von der grünen Politikerin Katja Meier, die zwar Politikwissenschaft, Geschichte und Soziologie studiert hat, nicht aber Jurisprudenz.
Auch bei der Verwaltung der öffentlichen Gelder wäre ein fachliches Minimum bitter nötig. Wie sonst soll der Respekt in den Augen der Bürger und der Untergebenen wachsen? Wie will ein Amtsinhaber ohne eigene Spezialkenntnisse immun sein gegen die Einflüsterungen von interessierter Seite?
Nach dieser Methode verfuhr man etwa in Schleswig-Holstein, wo für die Grünen eine Erzieherin als Finanzministerin wirkt. Bei uns in Brandenburg blickt die sozialdemokratische Ministerin der Finanzen und für Europa auf eine Ausbildung zur Regierungsassistentin zurück. Der grüne Berliner Finanzsenator wiederum studierte zehn Jahre lang Geschichte und Kunstgeschichte, ohne einen Abschluss zu erreichen.
Natürlich kann sich auch eine Fachfremde als Glücksfall entpuppen. Wurde doch der Schauspieler Ronald Reagan ein bedeutender Präsident der Vereinigten Staaten. Er hatte jedoch keine spezifische Ressortverantwortung.
Drei bedenkliche Tendenzen werden sichtbar im Siegeszug der fachfremden Minister. Erstens demonstriert ein Aufstieg ohne entsprechende Qualifikation auf erschütternde Weise die Übermacht der Parteien. Sie entscheiden, wen sie nominieren. Für ein Ministeramt qualifiziert man sich nicht unbedingt durch ministrable Leistungen, wohl aber durch erfolgreich bestandene innerparteiliche Kämpfe. Nicht Qualität, sondern Durchhaltevermögen und Netzwerktauglichkeit werden prämiert.
Bei den Grünen kommt ein stupide durchgezogenes Paritätsdenken hinzu. Selbst wenn Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow Zweifel hätte an der Eignung von Denstädt und Stengele, müsste er sie am Kabinettstisch akzeptieren. So sieht es der Koalitionsvertrag vor.
Drittens verbirgt sich hinter der rollierenden Zuständigkeit der Berufspolitiker ein destruktives Denken, nämlich die Überzeugung, jeder könne prinzipiell alles.
Doch vor allem drückt sich in der Inflation der Fachfremden eine enorme Geringschätzung des jeweiligen Fachs aus. Wer wirklich vom Fach ist, wird gar als „Fachidiot“ bezeichnet, weil ihm angeblich fehlt, wofür die Unqualifizierten stehen, nämlich das Denken in Zusammenhängen. An der Spitze einer Fachbehörde braucht es aber Fachkompetenz.
Niemand ließe eine Herz-OP von einem Bibliothekar vornehmen oder sich ein Haus von einer Bäckersfrau bauen, auch wenn sie eine Meisterin wäre. Am offenen Herzen der Republik aber, in den Ministerien, die die Sicherheit, die Rechte, die Gelder der Bürger treuhänderisch verwalten, soll jeder herumdoktern dürfen. Die Bundesrepublik muss viel Glück haben, sollte sich eine solche Leistungsverachtung nicht eines Tages bitter rächen.