17. 6. 2022 Unser Bundesamt für Verfassungsschutz

Der gerade veröffentlichte Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) gibt Anlass, sich wieder einmal mit dieser notwendigen, aber ein immer stärkeres Eigenleben führenden Behörde auseinander zu setzen

Das 1950 gegründete BfV war das Schwert der „wehrhaften Demokratie“. Warum erinnert diese Formulierung an die Stasi, die Schild und Schwert der SED und ihrer Führung war?

In den folgenden Jahrzehnten kämpfte das BfV an vorderster Front des Systemkonflikts zwischen Ost und West. Sein Schwert traf nun vor allem Menschen, die im Verdacht standen, mit kommunistischen Ideen zu sympathisieren. Ausgehend von den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes wurden in der Bundesrepublik von 1951 bis 1968 Ermittlungsverfahren gegen ca. 200000 Menschen eingeleitet. Die meisten davon wurden zwar eingestellt, die Folgen für die Betroffenen – von Rufschädigung bis zu beruflichen Nachteilen – waren jedoch immens. 

Die Konzentration auf die „Bedrohung von links“ hatte auf dem Scheitel des Kalten Krieges politische Gründe. Eine ebenso große Rolle spielte dabei die Durchsetzung des Amtes mit NS-Personal: Mit Hubert Schrübbers leitete ein ehemaliger SA- und SS-Mann das Amt von 1955 bis 1972 – ein Pendant zum Bundesnachrichtendienst, der jahrelang als „Organisation Gehlen“ und 1955 als BND von Reinhard Gehlen, dem Generalmajor und Chef der Fremden Heere Ost von Hitlers Gnaden, geleitet wurde. Wahrlich keine Heldentat der jungen deutschen Republik!

Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz und die 16 Landesbehörden der Bundesländer sind für rechtsstaatliche und demokratische Länder ein Unikum: Die Inlands-Geheimdienstler haben nicht nur den Auftrag, Organisationen zu überwachen, die einen gewaltsamen Umsturz anstreben – solche Gruppierungen verfolgen auch vergleichbare Institutionen in anderen Ländern wie z. B. das amerikanische FBI –, sondern auch solche, die mit friedlichen Mitteln eine Mehrheit für Ziele gewinnen wollen, die gegen die Grundsätze der Verfassung gerichtet sind. 

Damit geraten jede monarchistische Partei oder Vereine, die nur Mitglieder einer bestimmten Ethnie aufnähmen, unter der Beobachtung der BfV. Man denke nur an den Münchener Fußballverein Türkgücü München.
Und wenn man dann noch die öffentliche Werbung für derartige Parteien als verfassungsfeindlich ansieht, dann ist schnell derjenige, der alkoholgeschwängert den alten Kaiser Wilhelm wiederhaben will, unter Beobachtung.

Das kann den linksextremistischen Gruppierungen nicht passieren, werden doch das Absingen der Internationale oder die erhobene Faust als Zeichen für den Klassenkampf heute als verfassungskonform angesehen. Die Rechtsextremisten sind da deutlich schlechter dran: das Singen des Horst-Wessel-Liedes oder der Hitler-Gruß sind gesetzlich verboten. Kein Wunder, dass die Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ein Mehrfaches der linksextremistischen Straftaten ausmachen.

Insider wissen, dass viele Aufgaben der Polizei klammheimlich peu à peu auf das Amt übergegangen sind. Nicht im Interesse der Sacharbeit, denn das Amt lebt von Mutmaßungen und Verdächtigungen, während die Polizei mit der Aufklärung von Straftaten Sacharbeit leistet. Bei ihr gilt – im Gegensatz zum BfV – die Unschuldsvermutung. Mit der Folge, dass die Aufsicht über den Verfassungsschutz durch die Innenminister stark politisch gesteuert ist, während die Polizei vor allem durch die Staatsanwaltschaften einer deutlich stärkeren rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegt.

Fassen wir zusammen: Es wird Zeit für die Aufarbeitung der Vergangenheit und eine Neuorganisation der Sicherheitsbehörden, speziell des BfV und seiner Länder-Ableger. Und für eine rechtsstaatliche Beschneidung der Kompetenzen!