24. 1. 2022 Vizeadmiral Schönbach - oder wie schnell man Pensionär wird

Für den Chef der deutschen Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, muss die Veröffentlichung seiner Ausführungen zur geopolitischen Lage wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen haben. Schönbach, ein bisher völlig unbescholtener Offizier, war bei einem vertraulichen Treffen mit indischen Diplomaten bei der Denkfabrik Manohar Parrikar Institute for Defense Studies and Analyses (MP-IDSA) in Neu-Delhi gefragt worden, wie er die Situation mit Russland in Europa und in der Nato einschätze.

Was Schönbach offenbar nicht wusste, war, dass der Auftritt gefilmt und später veröffentlicht wurde. Innerhalb weniger Stunden zog am Samstag ein Tornado über ihn auf. Politiker aller Couleur forderten seinen Rücktritt. Seinem Rauswurf kam Schönbach durch seine Bitte an die Bundesverteidigungsministerin um Versetzung in den Ruhestand zuvor.

Im Wesentlichen hatte Schönbach Folgendes gesagt: Jedes souveräne Land sei berechtigt, der Nato beizutreten, wenn es den demokratischen Standards der EU entspreche. Deshalb habe Russland auch kein Recht auf ein Veto. Wenn Schweden und Finnland der Nato beitreten wollten, gäbe es keinen Grund, das abzulehnen. Auch Georgien erfülle die Bedingungen, es wäre jedoch „nicht klug („smart“), Georgien zum jetzigen Zeitpunkt aufzunehmen.

Die Ukraine erfülle die Bedingungen dagegen nicht, „weil ein Teil des Landes von einem anderen Land besetzt wurde“, nämlich der Donbass, und zwar „von der russischen Armee oder, wie Russland behauptet, von Milizen“. Er glaube nicht, dass Russlands Präsident Wladimir Putin „wegen eines kleinen Landstrichs“ in der Ukraine „einmarschieren“ werde, das zu glauben sei „Nonsens“.

Putin, dem man entgegentreten müsse, nutze die Situation, um die EU zu spalten. Schönbach weiter: „Die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen, das ist eine Tatsache.“ Schönbach sagte, was Putin „wirklich wolle, sei Respekt auf Augenhöhe. Und – mein Gott – jemandem Respekt entgegenzubringen, koste fast nichts, koste nichts. Also würde man mich fragen – aber man fragt mich nicht –: Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er fordert – und den er vermutlich auch verdient.“

Er sehe die größere Bedrohung in China, sagte Schönbach: „Selbst wir, Indien und Deutschland, brauchen Russland, weil wir Russland gegen China brauchen.“ Dies sagte Schönbach offenbar, um seine indischen Gesprächspartner einzubeziehen. Zwischen Indien und China tobt seit Jahren ein erbitterter Grenzstreit, der immer wieder auch zu militärischen Zwischenfällen geführt hat.

Schönbach sagte, dass er als katholischer Christ sich näher zum christlich-orthodoxen Russland hingezogen fühle, auch wenn Putin ein Atheist sei. Europa und die EU hätten mehr mit Russland gemein als mit China. Diese These sei eine der Kernthesen des führenden geopolitischen Strategen der USA, Henry Kissinger, zuletzt ausgeführt in seinem Buch „Weltordnung“.

Schönbach arbeitete vor seiner Ernennung zum Chef der Marine als stellvertretender Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im Bundesverteidigungsministerium. Er ist nicht der erste, der eine eigene Meinung hat und deshalb in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurde.

Bleibt die Frage, wer und aus welchem Grunde den Schönbach-Auftritt bei den vertraulichen Gesprächen gefilmt und an die Öffentlichkeit gegeben hat. Lateiner würden fragen „Cui bono?“[1]

 



[1] Wem nützt es?