4. 1. 2022 Bockige Deutsche
Das Ausland wundert sich über die neue deutsche Regierung, und die Neue Züricher Zeitung bringt es auf den Punkt und formuliert „wie sehr ideologische Festlegungen den Handlungsspielraum verengen können – und aus guten Europäern bockige Deutsche machen“.
Es geht um die Energie, genau genommen um Gas und Kernenergie. Fast zeitgleich zur Abschaltung von drei weiteren deutschen Atomkraftwerken gab die Europäische Kommission am Silvesterabend 20 Minuten vor Mitternacht bekannt, Atomkraft und Erdgas unter bestimmten Bedingungen als klimafreundliche Energieformen einzustufen. Prompt befragte die Nachrichtenagentur Reuters einen deutschen Regierungssprecher, und der erklärte, auch Deutschland sehe im Erdgas eine „wichtige Brückentechnologie auf dem Weg zur Treibhausgas-Neutralität“. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lobte Brüssel.
Ebenso prompt widersprachen der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck und die grüne Umweltministerin Steffi Lemke. Erdgas ein grünes Label zu geben, sei „fragwürdig“ (Habeck) und „fraglich“ (Lemke). Noch schärfer formulierte der Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus, wer Gas als klimafreundlich ausgebe, verbreite eine „dreckige Lüge“.
Über Erdgas wollen wir hier nicht reden, denn im Koalitionsvertrag findet sich der Satz, Erdgas sei „für eine Übergangszeit unverzichtbar“ – also wieder einmal viel Lärm um nichts.
Kommen wir zur Kernkraft. Längst wissen Fachleute, dass der 2011 nach dem Fukushima-Unfall in Japan von der Kanzlerin in einer einsamen Entscheidung beschlossene Ausstieg aus der Kernkraft voreilig war. Rückblickend betrachtet, hat Deutschland sich dadurch international weitgehend isoliert. Denn die Atomkraft erlebt weltweit eine Renaissance. Die USA, China, Russland, aber auch Frankreich, Großbritannien und die skandinavischen Länder setzen auf Energiegewinnung durch Kernspaltung. Selbst in der Bundesrepublik schwindet laut aktuellen Umfragen die Ablehnung.
Offenbar merkt man, dass die Technik des 21. Jahrhunderts in puncto Sicherheit und Zuverlässigkeit nicht mehr mit den Schnellen Brütern der Tschernobyl-Generation vergleichbar ist. So musste unsere rot-gelb-grüne Regierung erfahren, dass Europa ihr in einer zentralen Frage nicht zu folgen bereit ist, nur weil sie Atomkraft für unbeherrschbar hält und das Klima anderweitig retten will. Das Beharren deutscher Spitzenpolitiker, man müsse „Druck auf Brüssel“ aufbauen, ist genauso wenig hilfreich wie nicht zu akzeptieren, dass man die Mehrheit in Europa gegen sich hat.
Atomstrom mag vieles sein, des Teufels ist er nicht.