29. 12. 2021 Montgomery versus Oberverwaltungsgericht

Das war ein Aufstand! Da hat es doch der Vorsitzende des Weltärzteverbandes, der Deutsche Frank Ulrich Montgemery, gewagt,  an einem Urteil des niedersächsischen OVG Kritik zu üben, was sonst nicht einmal Parteien, Fraktion oder Abgeordnete wagen.

Hat er doch gesagt, dass er sich daran stoße, „dass kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen 2 G (Geimpft und Genesen) im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten. Da maßt sich ein Gericht an, etwas, das sich wissenschaftliche und politische Gremien mühsam abgerungen haben, mit Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zu verwerfen. Da habe ich große Probleme …“

Und schon geht ein Shitstorm gegen Montgomery los! Natürlich verwahrt sich der Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen vehement dagegen, der Bundesjustizminister und die NI-Landesjustizministerin sprangen dem gescholtenen Gericht zur Seite, und auch aus der Politikl hagelte es Schelte.

Dabei stößt man sich vor allem an dem Begriff „kleine Richterlein“, und das noch bei einem Oberverwaltungsgericht, das in der Richterbesoldungsordnung recht weit oben steht! Zugegeben, er ist nicht gerade schmeichelhaft, aber in der Hierarchie unserer Staatsdiener ist der Richter an unteren und mittleren Gerichten wahrlich nicht mit dem Lieben Gott gleichzusetzen, obwohl man – nicht nur im Scherz – zu sagen pflegt, vor Gericht und auf hoher See sei man in Gottes Hand. Wenn unsere Richter, auch die des OVG, unfehlbar wären, bräuchte man keine Berufungsgerichte! Und in Einzelfällen hat die gesamte Republik schon über Urteile gelacht, sind doch auch unsere Juristen Menschen, die sich irren können.

Aber auch der Bundestag besteht aus Menschen, die Fehler machen können. Und die Qualität der Gesetze hat sich wahrlich nicht zum Positiven gewandelt. Insofern ist eine Kontrolle der Bundestags-Entcheidungen durch unabhängige Richter, hier des Bundesverfassungsgerichts, eine gute Sache.

Noch einmal: Wenn staatliche Maßnahmen oder gar Gesetze gegen höherrangiges Recht vestoßen, sollte sie ein zuständiges Obergericht aufheben düfen. Aber das war im vorliegenden Fall nicht gegeben, es verstieß nach Meinung des Gerichts gegen die „Verhältnismäßigkeit“. Mit derartigen unbestimmten Rechtsbegriffen kann man alles und jedes gutheißen oder verdammen. Bringen wir es auf den Punkt: Auch Richter sind Menschen, die eine persönliche Überzeugung haben und schlecht Urteile gegen ihre eigene Denke fällen können. Erinnern wir uns nur an den Hamburger Richter Ronald Schill, der als „Richter Gnadenlos“ in die Annalen einging.

Aber dass sich ein Gericht anmaßt, mehr zur Verhältnismäßigkeit sagen zu können als der Gesetzgeber, der Fachleute, Gutachter und Sachverständige in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden hat, lässt schon gewissen Fragen aufkommen.