5. 10. 2021 Olaf Scholz, die Hamburger SPD, die Warburg-Bank und die Cum-Ex-Geschäfte
Über die Cum-Ex-Geschäfte wurde an dieser Stelle zuletzt am 28. 7. 21 geschrieben. Nunmehr werden sich die Bankiers Christian Olearius und Max Warburg wegen dieses Skandals vor Gericht verantworten müssen. Den Politikern aber, die dem Hamburger Bankhaus zu Diensten waren, dürfte dieses Schicksal erspart bleiben. Vielmehr stehen die Chancen gut, dass Olaf Scholz als einer der Hauptbeteiligten sogar ins Kanzleramt einzieht.
Beim Cum-Ex-Betrug handelt es sich vereinfacht darum, dass ein Beteiligteer Kapitalertrag-Steuern bezahlt und zwei sich die Steuern rückerstatten lassen. In Hamburg hatte damit unter anderen auch das Bankhaus M.M.Warburg glänzende Geschäfte gemacht. Das Bankhaus war Teil eines betrügerischen Konstruktes, das einzig zu dem Zweck errichtet wurde, sich vom Staat nicht gezahlte Steuern erstatten zu lassen. Aber im Juli 2021 hat der BGH bestätigt, dass die von Warburg zu Unrecht erlangten Rückerstattungen von angeblichen Kapitalertragsteuern in dreistelliger Millionenhöhe einzuziehen seien.
Schon 2016 hatte sich der Wind für die Hamburger Privatbankiers gedreht. Es drohte Ungemach durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft Köln) und das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg, zuständig für die Warburg Bank und scheinbar gewillt, die erstatteten, aber zuvor nicht gezahlten Steuern in Höhe von rund 90 Millionen Euro für die Jahre 2009 bis 2011 von der Bank zurückzufordern.
Die Vertreter der Bank begannen intensiv zu intervenieren, um die Beute zu verteidigen. Mit Erfolg. Der Stadtstaat Hamburg verzichtete zunächst auf die Rückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro im Jahr 2016 und versuchte dasselbe noch einmal 2017. Damals wären Warburg beinahe noch einmal 43 Millionen Euro Rückforderungen erlassen worden, doch das Bundesministerium der Finanzen griff ein
Mit dem Erfolg, dass der zuständige Beamte. Ministerialdirektor Michael Sell. später von Olaf Scholz, als der Finanzminister wurde, in den einstweiligen Ruhestand geschickt wurde. Hatte der doch als Abteilungsleiter Steuern im Bundesministerium der Finanzen (BMF) 2016 im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften vor dem Untersuchungsausschuss von organisierter Kriminalität gesprochen: „Wenn man grundsätzlich – und ich bin der Überzeugung, dass das der Fall ist, dass Cum/Ex strafbar ist […] – [...] das ist Organisierte Kriminalität mit einem sehr klaren Plan [...], ganz klar die Kenntnis der einzelnen Abläufe, arbeitsteilig und das Ganze durch Teilung der Ergebnisse“ (BT Drcks. 18/12700, S. 507).
Zurück zur Freien und Hansestadt Hamburg! Da diesem Handeln des Hamburger Finanzamtes für Großunternehmen auch zahlreiche Gespräche mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz vorangingen und im Übrigen auch andere SPD-Größen aktiv einbezogen waren und Warburg 45.500 Euro direkt oder über Tochtergesellschaften der SPD als Spende zukommen ließ, gab es eine breite Debatte in der Stadt über den Einfluss von Unternehmen auf die Hamburger SPD. In Hinblick auf den Komplex Cum-Ex, Warburg und die SPD führte die Debatte schließlich zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA). Dies kommentierte die Warburg-Bank am 28. Oktober 2020 so: „Der …eingesetzte PUA dient ausschließlich politischen Zwecken im beginnenden Bundestagswahlkampf und richtet sich vorwiegend gegen den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz.“ Dass dabei ihr Ansehen beschädigt wird, sei der in Kauf genommene Kollateralschaden, beklagte die Bank.
Dem PUA begegneten nur Zeugen, die sich angeblich an keinerlei sachfremden Einfluss auf ihre begünstigenden Entscheidungen erinnern konnten. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass an einem ersten Treffen mit Vertretern der Warburg Bank auch ein Abteilungsleiter aus der Wirtschaftsbehörde teilgenommen hatte, konnte wenigstens dieser mit einer genauen Erinnerung aufwarten, Scholz habe keine Zusagen gemacht (NDR, 26. Juni 2021).
Natürlich nicht. Trotzdem berief sich Olaf Scholz, der sich gleich dreimal (2016 zweimal und 2017 einmal) mit Christian Olearius von der Warburg-Bank traf, auf sein Gedächtnis, das sich nicht erinnern mochte.
Christian Olearius vom Bankhaus M.M. Warburg war ihm kein Unbekannter. Scholz war 2012 Festredner auf seinem 70-jährigen Geburtstag, und Olearius hatte mit Wolfgang Peiner die „Hamburger Lösung“ für die Traditionsreederei Hapag Lloyd ersonnen. Das Konsortium, das so entstand, war nach Albert Ballin benannt und umfasste neben der Stadt (HGV), Michael Kühne, der Versicherung Hanse-Merkur, der HSH-Nordbank auch das Bankhaus Warburg. Gemeinsam sollte so eine Übernahme durch die singapurische Reederei Neptune Orient Lines Limited (NOL) 2008 verhindert werden. Dies gelang; und mit der Übernahme des Senats 2011 unter Vorsitz von Olaf Scholz wurde dies auch zum Herzensanliegen zweier Männer: Olaf Scholz und Peter Tschentscher.
Wenn nun also einer der wichtigsten Wirtschaftsgrößen in Hamburg, der geschäftsführende Gesellschafter und Mitinhaber des Bankhauses M.M. Warburg, Deutschlands größter inhabergeführten Privatbank, einen Termin beim Bürgermeister benötigt, dann ruft er ihn einfach an. Aber es ging nicht um normale Geschäfte, sondern um kriminelle Handlungen. 2016 steht der Verdacht durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Raum und wird durch die Rechtsprechung, in diesem Fall des Finanzgerichts Hessen (4 K 1684/14) gestützt, und durch Ermittlungen der BaFin und ebenso durch die Einrichtung eines PUA Cum-Ex beim deutschen Bundestag flankiert.
Machen wir es kurz:Niemand hatte allerdings damit gerechnet, dass Christian Olearius Tagebuch führte. Deswegen hat der Hamburger Senat noch im November 2019 bestritten, dass es „persönliche Gespräche zwischen dem Bankhaus M.M. Warburg“ und ihm gegeben habe. Man fühlte sich sicher vor unliebsamen Enthüllungen, weil es eben nichts Schriftliches gab, das auf Absprachen hingedeutet hätte. Erst im Februar 2020 gab es dann Berichte über ein (!) Treffen von Scholz mit Olearius. Als Scholz einen Monat später im Finanzausschuss aussagte, erwähnte er weitere Treffen nicht. Auch nicht, als er im Juli 2020 direkt nach solchen im Finanzausschuss befragt wurde. Erst im September 2020, nach intensiver Auswertung der Tagebücher von Olearius durch Journalisten, wurden zwei weitere Treffen bekannt und dann auch von Scholz eingeräumt. Aber geht es darum überhaupt?
Christian Olearius und Max Warburg werden sich demnächst vor Gericht verantworten müssen. Ein früherer Generalbevollmächtigter der Privatbank und enger Vertrauter Olearius‘ wurde bereits für Cum-Ex-Geschäfte Anfang Juni dieses Jahres zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Den Politikern, die Warburg zu Diensten waren, wird dieses Schicksal erspart bleiben.