13. 2. 2021 Über die Sprache in der Politik

Mit den Bundeskanzlern hat die Bundesrepublik Deutschland bisher immer Glück gehabt. Das gilt sowohl für den ersten Kanzler Konrad Adenauer (CDU), der unseren Staat wieder in die Gemeinschaft der westlichen Demokratien, insbesondere Frankreich, zurückgeführt hat, wie auch für Willy Brandt (SPD), der die Aussöhnung nach Ostenbetrieb, oder Helmut Schmidt (SPD), der uns in der schlimmsten Zeit des RAF-Terrorismus energisch durch die Krise geführt hat, aber auch für Helmut Kohl (CDU), den Kanzler der Einheit. Über Gerhard Schröder (SPD) und Angela Merkel (CDU) mögen sich spätere Generationen ein Urteil bilden.

Ähnliches Glück hatten wir auch mit den Bundespräsidenten von dem Feingeist Theodor Heuss bis zu Walter Steinmeier, egal welcher Partei sie ihre Wahl zu verdanken hatten. Einer der bedeutendsten und eindrucksvollsten war der frühere Pfarrer Joachim Gauck, der in seiner Antrittsrede am 23. 3. 2012 an die Politiker appellierte: „Redet offen und klar, dann kann verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden.“ Das war vor fast genau neun Jahren.

Gauck hielt sich immer daran, aber haben sich das die Politiker zu Herzen genommen? Ein bisschen ging es Gauck wie Kassandra in der griechischen Mythologie, die zwar immer die Wahrheit sagte, aber dazu verdammt war, dass ihr keiner glaubte.

Offensichtlich will die Politik das Vertrauen des Volkes gar nicht mehr. Da wird geschwurbelt, drum herum geredet, da werden Phrasen gedroschen, dass einem Hören und Sehen vergeht und der Sinn des Gesagten nicht mehr nachvollziehbar ist. Die heutige Sprache der Politik ist eine Mischung aus Neusprech und Gutdenk, aus Sprachkosmetik und Fachchinesisch, aus Sprechblasen und Worthülsen, aus Versatzstücken und Polit-Phrasen, aus Allgemeinplätzen und echten und erfundenen Fremdwörtern. Jedenfalls ist es nicht die Sprache, die das Volk verdient: nämlich Klartext. Die von der SPD erfundenen Ausdrücke „Gute-Kita-Gesetz“ oder „Starke-Familien-Gesetz“ sprechen für sich und sollen offensichtlich Einwände dagegen im Keim ersticken. Denn wer darf es wagen, gegen gute Kitas oder starke Familien Stellung zu beziehen? Oder gegen die „Respekt-Rente“?

Wissen Sie, was die Polit-Eliten unter „Wir müssen eine nachhaltige Politik für unser Land machen“ verstehen? Oder unter „zur Sacharbeit zurückkehren“ bzw. „die Zukunft gestalten“? Technokratisch und blutleer, aber nichts aussagend!

Die Journalisten, wenn sie nur einen Hauch von Berufsethos hätten, könnten als Übersetzer mithelfen,  die Nebelsprache der Politik zu durchdringen und sie in Verständlichkeit für das gemeine Volk umzuwandeln. Aber vermutlich sind auch sie überfordert.

Peter Struck (SPD, als die SPD noch SPD war) mahnte einst: „Die Medien verschanzen sich genauso hinter Fachchinesisch und Expertensprech.“ Und der Journalist Jörg Quoos beklagt: „Mancher Hauptstadtjournalist, der sich mit anbiederndem Polit-Sprech in den eigenen Fragen verheddert, darf sich nicht wundern, wenn er am Ende keine vernünftige Antwort bekommt.“

Zum Schluss sei noch an den früheren Vorsitzenden der CSU erinnert. Horst Seehofer hat einmal in einem lichten Moment zugegeben, wie das so läuft in der Polit-Elite: „Wir formulieren schwierige Themen extra so kompliziert, damit die Leute es nicht verstehen und ohne Widerstand Folge leisten.“ Tage später – nach einem öffentlichen Aufschrei – sollte das natürlich nur Ironie gewesen sein, oder?