21. 12. 2020 Noch einmal Ungern, Polen und die EU

Schon mehrfach sind mir Zweifel gekommen, ob der Umgang der EU mit Ungern und Polen (und Slowenien) nicht doch äußerst subjektiv von den Presseabteilungen in Berlin und Brüssel und der Journaille dargestellt wird.

Das europäische Debattenmagazin „The Europaen“ schreibt am 14. 12. 2020 in diesem Zusammenhang einen Aufruf an die Polen: „Bleibt fest! Lasst euch nicht von Leuten maßregeln, denen Erfahrungen, Kenntnisse, Kultur und Lebensansichten ihrer vermeintlichen Partner völlig egal sind. Nicht ihr seid die Störenfriede in der Europäischen Union. Im Gegenteil, ihr tut das, was ihr schon oft getan hattet: Europas Werte hochhalten und schützen.“

Und an anderer Stelle wird man noch deutlicher: „Gäbe es die Visegrád-Staaten, das Baltikum und Österreich nicht, würde das Zelt der EU infolge der an großdeutsche Überheblichkeit erinnernden Merkel´schen Multikultipolitik, die auf nichts anderes als auf eine gesichts- und geschichtslose Homogenisierung der europäischen Nationen und Völker hinausläuft, einstürzen, wie das alte Westrom vor 1500 Jahren sang- und klanglos untergegangen ist.“

Als glühender Freund Europas und Anhänger der Europäischen Union habe ich allerdings immer warnend den Finger erhoben gegen eine Gleichmacherei der Staaten, die unterschiedliche Wurzeln, nationale und kulturelle (auch religiöse) Vielfalt sowie differierende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit  haben. Aber ich habe auch mehrfach die Frage gestellt, wer denn in vielen Fällen, z.B. in der Flüchtlingspolitik, der Außenseiter ist. Da die anderen EU-Staaten die Vorschläge Deutschlands  (und der Niederlande) auf Kontingentieren partout nicht mittragen, ist diese Frage leicht zu beantworten.

Leider vergessen EU-Präsidentin Ursula von der Leyen und Kanzlerin Merkel einschließlich einige ihrer Anhänger unter den Regierungschefs,  dass die  EU eine freiwillige Gemeinschaft von Staaten mit gleichen oder mindestens ähnlichen Interessen ist und kein Zentralstaat mit einer Hauptstadt Brüssel. Dort wird – unter Beteiligung des Europaparlaments – verhandelt und demokratisch entschieden, was die Mitgliedsstaaten gemeinsam wollen. Nicht mehr und nicht weniger! Zuviel Zentralismus stößt viele vor den Kopf; der Brexit lässt grüßen!

Auch gegenüber Ungarn und Polen ist Sachlichkeit und Fairness geboten.  Man muss Orbán und Kaczynski nicht mögen, aber beide haben regelmäßig bei den Wahlen deutliche Mehrheiten der eigenen Bevölkerung hinter sich. Was man von Merkel und ihrer ungeliebten Koalitionsregierung trotz der jetzigen Corona-Krise nicht sagen kann.

„Übrigens“, schreibt The European weiter, „in Deutschland gibt es eine zunehmende Einengung des Meinungskorridors. Eine freie Meinungsäußerung kann sich nur noch leisten, wer existenziell unabhängig ist. Alle anderen werden immer vorsichtiger, ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern. Es steht keine Strafe und kein Gefängnis auf abweichende Positionen. Insofern ist Deutschland keine Diktatur. Auch die Gerichte arbeiten noch unabhängig. Doch was nützt das alles, wenn der Einzelne Angst um seinen Job haben muss? Das gesellschaftliche Klima war in Deutschland schon mal angenehmer.“ So sieht uns das Ausland, zumindest teilweise.

Starker Tobak!