19. 12. 2020 Die AfD hat Schuld am Anstieg der sächsischen Inzidenz-Zahlen

Jetzt in der zweiten Welle der Pandemie  haben Politik und Journaille eine neue Korrelation entdeckt Die  rechten Wähler in Sachsen haben Schuld an den hohen Infektionszahlen! Sie suggerieren mehr oder minder deutlich – dort wo die AfD die meisten Stimmen holte, gibt es auch die meisten Ansteckungen.

Es handelte sich um einen klassischen Fall von Koinzidenz: Zwei Phänomene, die nichts miteinander zu tun haben, treten gleichzeitig am gleichen Ort auf. Beispiel: Geburtenrate und Anzahl von Störchen. Aber es gibt auch die Korrelation (A und B hängen beide mit C zusammen) und die Kausalität (A bedingt B). Und letztere ist das Entscheidende.

In der ersten Dezemberwoche trat der Monitor-Moderator Georg Restle mit sorgenvollem Gesicht vor die Kamera, um die Diagnose zu stellen: „Ausgerechnet Bautzen im Bundesland Sachsen … ein Corona-Hotspot, aber eben auch ein Hotspot der Corona-Leugner, der Verschwörungsideologen und der Rechtsextremisten. Über 30 Prozent erzielt die AfD hier bei Landtags- und Bundestagswahlen.“
Der folgende Beitrag untermauerte als Kausalität, die AfD-Wähler seien schuld oder zumindest sehr stark mitschuldig an dem hohen Covid-Inzidenzwert im Kreis Bautzen.

Auch der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz, tutete im Gespräch mit der Zeit ins gleiche Horn:

„Die Corona-Zahlen sind dort besonders hoch, wo eine bestimmte Partei auch sehr erfolgreich ist, nämlich die AfD.“

Selbst Spiegel Online versuchte am 12. Dezember von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer in einem Interview eine entsprechende Bestätigung zu bekommen:
„In den Landkreisen Bautzen, Görlitz, dem Erzgebirgskreis und dem Landkreis Meißen war die AfD bei den vergangenen Wahlen besonders stark – dort sind nun auch die Inzidenzen sehr hoch. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Ihr sächsischer Parteifreund Marco Wanderwitz, sieht da einen Zusammenhang. Sie auch?“

Kretschmer versuchte, sich aus der Affäre zu ziehen: Eine direkte Kausalität gäbe es vielleicht nicht. Auf die Suggestiv-Frage des SPIEGEL antwortete er: „Andererseits: Schauen Sie sich die Wortmeldungen von AfD-Politikern an, die keine Gelegenheit auslassen, das Virus, seine Wirkung und die Schutzmaßnahmen infrage zu stellen. Diese Partei stellt Bundestagsabgeordnete, die ohne Maske demonstrieren. Diese Partei irrlichtert – nachdem sie uns im Frühjahr noch aufgefordert hat, den Katastrophenfall auszurufen. Das ist unglaublich.“

Damit wurde das gesamte Land Sachsen von der Journaille wieder an den Pranger gestellt  – man erinnere sich an die Rechten in Freital oder die „Hetzjagden“ in Chemnitz. Bei letzteren wartet der Leser immer noch auf die ersten Anklagen, hat doch die Sache dem damaligen BfV-Präsidenten Maaßen das Amt gekostet.  

Was ist die wirkliche Ursache, dass die Inzidenz in den östlichen und südlichen sächsischen Kreisen seit Ende November und im Dezember an der Spitze der bundesweiten Corona-Statistik steht? Am 17. Dezember betrug die 7-Tages-Inzidenz für den Kreis Görlitz 622, für Bautzen 640, die Sächsische Schweiz 610, den Kreis Zittau 572 – bei einem bundesweiten Durchschnittswert von 185.

Der wesentliche Grund für die hohen Werte - und es handelt sich um eine echte Kausalität - lässt sich schnell finden. Im Oktober verhängte die tschechische Regierung einen harten Lockdown über das Land, nachdem der dortige Inzidenzwert bei 841 lag, dem in dieser Zeit europäischen Spitzenwert. Die Geschäfte wurden geschlossen und vieles mehr, nicht aber die Grenzen!
Dass also leicht zeitversetzt in den sächsischen Kreisen, die an Tschechien grenzen, wegen der Einkaufstouristen und der Arbeitspendler bald ähnliche Inzidenzen herrschten wie auf tschechischer Seite – das konnte niemanden ernsthaft überraschen.

Das gab es übrigens auch in Ostbayern, besonders deutlich im Landkreis Regen. Am 17. Dezember lag dort die 7-Tages-Inzidenz bei 651, also sogar noch über dem ost- und südsächsischen Niveau. Im Gegensatz zu den AfD-Wahlergebnissen: die fielen zur Landtagswahl im Wahlkreis Straubing, zu dem Regen gehört, nur etwa halb so hoch aus wie in den sächsischen Grenzkreisen.

Fassen wir zusammen: Die Aussagen, die hohen Werte in Sachsen seien auf die relativ hohe Zahl von AfD-Wählern zurückzuführen, ist üble Demagogie. Spätestens wenn man die Aussage umkehrt zu „Wenn Ihr nicht die AfD gewählt hättet, wäre Euch das nicht passiert“, ist der Unsinn augenscheinlich.

Aber ob nicht doch ein paar Corona-Leugner, egal ob AfD-Wähler oder nicht,  neben den Touristen und Pendlern dazu beigetragen haben, kann man auch nicht ausschließen.