16. 12. 2020 Die Unschuldsvermutung
Man kann schnell in den Verdacht einer Straftat kommen, sei es beim Einkauf, wenn man z. B. übersehen hat, einen Gegenstand aus dem Einkaufswagen mit aufs Transportband an der Kasse zu legen, oder sei es beim Autofahren, wenn man in einen Unfall verwickelt ist. Derlei Beispiele gibt es viele, und zu Recht gilt man als unschuldig, bis ein unabhängiges Gericht sein Urteil gesprochen hat.
Vor allem die Polit-Eliten werden nicht müde, auf die Unschuldsvermutung zu pochen, wenn einer der ihren in den Verdacht einer Straftat, z. B. der Vorteilsannahme (im Normaldeutsch „Bestechung“ genannt), geraten ist.
Nicht so bei der AfD! Oder gar vermeintlich oder tatsächlich rechtsextremistischen Gruppierungen, die ins Blickfeld der Innenminister oder der ihm unterstellten Verfassungsschutzbehörden in Bund oder Ländern geraten sind. Hier wird gegenüber der Jungen Alternative, dem „Flügel“ oder gar Landesverbänden eine Stigmatisierung betrieben, die ihresgleichen sucht.
Nicht nur die AfD, auch die Linke oder die Grünen waren bzw. sind im Visier des Verfassungsschutzes, obwohl dieser oft genug von den zuständigen Gerichten zurückgepfiffen worden ist. So wurden 2005 die Beobachtung der „Jungen Freiheit“, 2006 die Beobachtung der „Republikaner“, 2016 die Überwachung von Bodo Ramelow, heute MP in Thüringern, als rechtswidrig und unzulässig von den zuständigen Gerichten eingestuft.
Von vielen Kritikern wird der Verfassungsschutz als „Geheimdienst“ bezeichnet. Und viele Politiker der Grünen resp. der Linken, ja sogar die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, haben die Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert.
Diese Forderung soll hier nicht aufgegriffen werden. Aber die Verschiebung der Aufgaben von der Polizei zu den Verfassungsschutzbehörden gibt doch zu denken, denn die Polizei wird durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte, die viele polizeilichen Eingriffsmaßnahmen anordnen bzw. bestätigen müssen, deutlich stärker kontrolliert.
Nein, wir brauchen einen Verfassungsschutz. Der wäre jedoch gut beraten, tatsächlich im Verborgenen zu arbeiten und nicht laufend Beifall heischend in der Öffentlichkeit seine Maßnahmen gegen Personen oder Organisationen kundzutun. Zumal er damit ja auch seine Effizienz erschwert, denn aus der Sicht der Überwachten ist erkannte Gefahr nur eine halbe Gefahr.
Und die Öffentlichkeit, vor allem die Presse, sollte sich öfter vor Augen halten, dass auch bei dem vom Verfassungsschutz aufgeführten „Beobachtungsfall“, „Verdachtsfall“ oder „Prüffall“ die Unschuldsvermutung gilt – und selbst bei positiven Ergebnissen hat der Verfassungsschutz nicht die Kompetenz, eine Organisation zu verbieten. Das ist Sache der Innenministerien mit der Möglichkeit der Betroffenen, die ordentlichen Gerichte gegen die Maßnahme anzurufen und die Entscheidung überprüfen zu lassen. Und deren Chancen stehen, siehe oben, gar nicht so schlecht!