6. 11. 2020 Die US-Wahl ist quasi entschieden

Die letzte Stimme ist noch nicht ausgezählt, aber Joe Biden dürfte der Wahlsieg nicht mehr zu nehmen sein. Doch ein Verlierer stand wieder einmal schon am Wahlabend fest: Die Meinungsforscher und, so möchte man hinzufügen, auch die Meinungsmacher. In vielen US-Bundesstaaten kam es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen, auch wenn letztlich die Zahl der Wahlmänner und –frauen deutlich für Biden spricht.

Zwei Lehren könnten die Meinungsleute aus diesem Desaster ziehen: Zum einen für die Meinungs-Forscher, dass man das Ergebnis weniger am Auftraggeber ausrichten sollte und mehr an der Wirklichkeit. Zum zweiten für die Meinungs-Macher, dass auch sie sich mal Gedanken über die Wirklichkeit machen und nicht ihren Ideologien nachgeben sollten.

Das gilt besonders für die Trump-Bashing-Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland und in ihrem Gefolge für die Mainstream-Printpresse. Zugegeben, Trump hat es uns nicht leicht gemacht, ihn positiv zu sehen. Aber es war ja auch nicht unsere Wahl, sondern die der US-Amerikaner. Man muss sich trotzdem nicht gleich verbiegen, aber ein wenig Fairness und inneren Abstand zum amtierenden US-Präsidenten dürfte schon sein. Im übrigen soll keiner glauben, dass sich unter Joe Biden Wesentliches ändern wird!

Ein zweites Ergebnis betrifft die Person Trump selbst. Ganz gleich, ob er es wider Erwarten doch noch schafft oder nicht, der enge Ausgang der Wahl zeigt, dass er kein Unfall der Geschichte war. Als solchen haben ihn seine Gegner in Politik und Presse gern hingestellt und verächtlich mit dem Etikett „Populist“ versehen. Hier darf man die Frage stellen, welcher Politiker eigentlich kein Populist ist.  Aber das Volk (lat. populus) hat gezeigt, dass es von diesem überheblichen Elite-Denken die Nase voll hat.

Der Anti-Establishment-Effekt zog und zieht dauerhaft. Das sollten auch die Eliten von Politik und Presse in Berlin und anderswo zur Kenntnis nehmen und einmal in Richtung AfD schauen. Sicher, es ist wohl auch so, dass kaum jemand Trump zum Schwiegersohn haben möchte (von seinem Vermögen mal abgesehen). Der Mann ist kein Diplomat, aber gerade heraus und nimmt kein Blatt vor den Mund. Das spaltet. Aber die Arroganz der Sich-besser-Dünkenden spaltet auch. Und in diesem sozialen Phänomen gleichen sich heute mehrere Demokratien.

Und noch eine Lehre darf man aus dieser Wahl ziehen: Es gibt die Vielfalt nicht nur bei den Gender-Ideologen, sondern auch im wirklichen Leben, zum Beispiel bei den Minderheiten. Sowohl bei den Afro-Amerikanern als auch bei den Hispanics haben sich mehr Wähler für Trump entschieden als die Analysten vermutet haben.

Und das US-Wahlrecht? Für lupenreine Demokraten ist es problematisch, dass ein Kandidat mit deutlich mehr Stimmen als sein Gegner die Wahl trotzdem verlieren kann, weil die Wähler  der einzelnen Bundesstaaten nur die Wahlmänner wählen, nicht den Kandidaten. Gemäß dem Motto „The winner taks it all“ fallen die Stimmen für den unterlegenen Kandidaten unter den Tisch und die Wahlmänner stimmen insgesamt für den Sieger in ihrem Bundesstaat.  Die US-Amerikaner haben sich damit abgefunden und sich nicht für ein Sammelsurium von Überhang- und Ausgleichsmandaten wie in Deutschland entschieden.