5. 2. 2020 Anmerkungen zur MP-Wahl in Thüringen

Die Wahl eines FDP-Abgeordneten zum Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen war bisher der ARD zweimal eine Sondersendung im Ersten wert.

Was war geschehen? Nachdem der bisherige Ministerpräsident der SED-Nachfolgepartei Die Linke Bodo Ramelow zusammen mit der ihn unterstützenden Koalition aus SPD und Grünen vom Wähler abgestraft worden war, beabsichtigte er, im dritten Wahlgang mit relativer Mehrheit gewählt zu werden und eine Minderheiten-Regierung zu bilden.

Folgerichtig gab es in den ersten beiden Wahlgängen zwei Kandidaten, nämlich Ramelow und einen Kandidaten der AfD, der zweitstärksten Partei im Landtag. Die AfD wählte geschlossen ihren Mann, aber Ramelow erreichte nicht die notwendige absolute Mehrheit. So kam es zum dritten Wahlgang, bei dem wieder Ramelow, der AfD-Kandidat und zusätzlich Thomas Kemmerich (FDP) als Kandidaten antraten.

Bei diesem Wahlgang trickste die AfD. Sie gab ihrem eigenen Kandidaten keine einzige Stimme, sondern wählte – wie auch die FDP und die CDU -  Kemmerich, der dadurch mehr Stimmen als Ramelow erhielt und überrascht die Wahl annahm.

Nach kurzer Schockstarre fing ein Geschrei zuerst in den Leitmedien der Presse und dann in den Bundesparteien in Berlin  an, wie man es in Deutschland noch nicht erlebt hatte. Die AfD, deren Vertreter selbstzufrieden vor sich hinlächelten, erklärte ihr Verhalten damit, dass sie eingesehen habe, dass ihr eigener Kandidat keine Chance hätte. Deshalb habe sie, um einen Linksextremisten zu verhindern,  als kleineres Übel den FDP-Mann gewählt.

Also zog die gesamte Presse erst einmal über Kemmerich her. Wie konnte der sich nur – bei einer geheimen Wahl - von AfD-Abgeordneten wählen lassen! Und warum hat er die Wahl angenommen? Jetzt müsse er schleunigst zurücktreten!

Nachdem dieser Angriff lange genug vorgetragen und dann irgendwann verpufft war, fiel die Presse über die Thüringer CDU her. Wie könne sie nur zusammen mit der AfD einen Kandidaten wählen? Habe sie nicht immer gesagt, mit der AfD gäbe es keine Gemeinsamkeiten?
Und AKK könne sich wohl bei ihren Thüringer Parteifreunden nicht durchsetzen! Damit wackele wegen Führungsschwäche auch ihr Stuhl!

Mit den Angriffen auf die CDU und AKK nicht genug! Auch die Bundes-FDP wurde zur Zielscheibe der Presse in Person von Patrick Lindner, dem FDP-Vorsitzenden! Hatte der sich doch zuerst über die Wahl, die erste Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten in einem Bundesland, gefreut. Das darf man aber keinesfalls, wenn der Kandidat mit Hilfe der AfD gewählt worden ist – da hätte Lindner mit „mea culpa, mea maxima culpa“ sofort in Schwarz gehen müssen. Das Mindeste ist, dass er (Lindner) unverzüglich die Vertrauensfrage stellen muss!

Die einzigen, die ungeschoren von der Presse davonkamen und offensichtlich noch einen Mitleidsbonus erheischten, waren die Linken und in ihrem Gefolge die Grünen.
Der SPD musste bei den öffentlichen Auseinandersetzungen in den ersten Tagen unangenehm aufstoßen, dass sie überhaupt nicht erwähnt wurde. Hat die Presse sie schon abgeschrieben?

Wie geht es nun weiter? Zuerst einmal: Gewählt ist gewählt! Aber Kemmerich muss gute Miene zum bösen (Presse-) Spiel machen. Also will er den Landtag auflösen und Neuwahlen ausschreiben. Aber da scheint er die Rechnung ohne den Wirt, sprich ohne die anderen bürgerlichen Parteien,  gemacht zu haben, denn die scheuen Neuwahlen wie der Teufel das Weihwasser, müssen sie doch mit noch mehr Verlusten rechnen. Nach den Neuwahlen will Kemmerich, wenn man ihn richtig verstanden hat, zurücktreten. Aber wenn es keine Neuwahlen gibt?

Die LINKE will auch keine Neuwahlen. Sie möchte den sofortigen Rücktritt und einen neuen Wahlgang zur Wahl des Ministerpräsidenten. Dabei müssten dann CDU und FDP mittlerweile von der Presse so weichgekocht worden sein, dass sie entweder auf einen Gegen-Kandidaten zu Ramelow verzichten oder sich der Stimme enthalten werden. Damit dürfte allerdings Kemmerich nicht einverstanden sein.

Man wird sehen, wie sich das in Erfurt weiter entwickelt. Der Demokratie tut das Tohuwabohu nicht gut, aber nicht weil ein FDP-Mann überraschend zum MP gewählt worden ist, sondern weil die Presse auf eine Art und Weise ihre Macht ausspielt, die einem angst und bange werden lässt. Sie wird wohl nicht eher Ruhe geben, bis Ramelow wieder gewählt worden ist – und damit unter Beweis stellen, dass Kanzler und Ministerpräsidenten nur mit ihren Gnaden gewählt werden können.  Franz-Josef Strauß, Gott habe ihn selig, weiß davon ein Lied zu singen.

Und wem soll der geneigte Thüringer bei dem Verhalten von Bundes-CDU und -FDP im Falle einer Neuwahl seine Stimme geben, wenn er Ramelow nicht wieder zum Ministerpräsidenten seines Bundeslandes haben möchte? Raten Sie ´mal!

Man hätte von CDU und FDP trotz des Geschreis der Presse mehr Standfestigkeit und Rückhalt für ihre Landespartei erwarten dürfen!