21. 5. 2019 Der Fall Strache

Ursache des Strache-Falls ist ein dubioses Video, welches den österreichischen Vizekanzler im Juli 2017 vor der letzten Nationalratswahl – also vor fast zwei Jahren, als er noch nicht im Amt war - bei der vermeintlichen Geschäftsanbahnung mit einer angeblichen russischen Oligarchin bzw. der Nichte eine solchen zeigt. Straches Entschuldigung: Red Bull und Wodka!

Strache hat bislang immer den Saubermann gegeben; vorgeblich um gegen solche Verknüpfungen ankämpfen zu wollen. Wasser predigen und Wein resp. Red Bull und Wodka trinken. Da reiben sich selbstverständlich die anderen Saubermänner die Hände. Besser hätte es nicht laufen können – war doch die ÖVP-FPÖ-Koalition den linksgrünen Gutmenschen nicht nur in Österreich ein gewaltiger Dorn im Auge! Kein Wunder, dass die politische Linke sofort nach Neuwahlen ruft in der Hoffnung, darüber wieder an die Pfründe der Macht und damit an die unerschöpflichen Steuertöpfe des Staates zu kommen.

Nicht verfrüht hingegen wäre etwas, das früher Kennzeichen eines kritischen Journalismus gewesen ist, nämlich das Stellen von Fragen, nicht nur der Jubel über den Fall des verhassten Feindes. Dessen Fehlbarkeit nehmen wir als Fakt. Er ist weg. Soweit erledigt und Ende.

Spannend an der „Causa Strache“, wie der Fall in absehbarer Zeit heißen wird, sind jedoch andere Dinge. Fragen, die an dieser Stelle gestellt werden sollen, ohne dass darauf eine Antwort gegeben wird. Fragen, die gleichwohl bereits jetzt in den Netzwerken herumgeistern und deshalb Stoff für zahlreiche Theorien geben können, von denen manche als welche der Verschwörung abgetan werden mögen, andere vielleicht den Tatsachen nahekommen. Fragen, die die sogenannten investigativen Journalisten des SPIEGEL und der SZ hätteen stellen müssen:

Frage 1: Wer hat das Video aufgenommen? Allem Anschein nach handelt es sich bei dem ominösen Dreh um ein von langer Hand vorbereitetes Projekt. Wenn es so war, dann ging es von vornherein darum, Strache und seine FPÖ zu desavouieren. Und es wurde nahezu professionell hergestellt.

Einige Spuren führen nach Deutschland, zur Gruppe "Zentrum für politische Schönheit": Die Künstler haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie über das logistische und taktische Know-How verfügen, diese Aktion durchzuführen.

Auch der Zusammenhang zum deutschen Fernseh-Satiriker Jan Böhmermann ist so erklärlich: Böhmermann war in der Vergangenheit Unterstützer des Zentrums für politische Schönheit. Und er kannte das Video zumindest seit Wochen. In seiner Sendung "Neo Magazin Royale" von vergangenem Donnerstag, sagt er, dass es sein könne, "dass morgen Österreich brennt". Am Freitag schlug das Strache-Video dann ein wie eine Bombe.

Bereits im April hat Böhmermann bei der Verleihung des österreichischen TV-Preises "Romy" in einer Video-Botschaft rätselhafte Andeutungen gemacht: Er könne den Preis persönlich nicht abholen, weil er "gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchen-Villa auf Ibiza rumhänge", hatte der TV-Satiriker damals gesagt.

Frage 2: Wer investiert erhebliche Geldmittel, um über ein solches Video einen ungeliebten Politiker zu Fall zu bringen? Alles in allem dürfte die Produktion des Videos einen fünf- bis sechsstelligen Eurobetrag gekostet haben. Location, Darsteller, Ambiente, Flüge, Einrichtung geheimer Aufnahmemöglichkeiten und so weiter – das bezahlt niemand aus der Portokasse. Dahinter steckt Professionalität – und die kostet. Wer also hat dieses Video produzieren lassen? Und mit welchen Mitwirkenden und Darstellern? Die Verschwiegenheit der Crew muss auf alle Ewigkeit gewährleistet sein, sollten nicht vielleicht doch eines Tages unbequeme Erkenntnisse auf dem Tisch liegen.

Frage 3: Warum wurde das Video produziert? Simple Antwort: Um Strache zu Fall zu bringen. Das dürfte zutreffen. Aber – warum lag dann das Produkt zwei Jahre in irgendwelchen Giftschränken, bevor es zum Einsatz kam. Man könnte spekulieren:

War es die Strabag, die laut Video um künftige Staatsaufträge gebracht werden sollte? Das wäre ein Motiv. Und die Finanzmittel dürften bei dem Unternehmen auch vorhanden sein. Aber warum wartet sie dann zwei Jahre? Da wäre das Abschießen des Ungeliebten noch vor der Kurz-Strache-Koalition viel angebrachter gewesen – mit dem vermutlichen Ergebnis einer Fortsetzung der ÖVP-SPÖ-Koalition und der weiteren Beteiligung an Staatsaufträgen. Strabag hat angekündigt, alle Aufträge der Regierungszeit Straches zu überprüfen. Das ist nachvollziehbar und richtig.

Der Sozialdemokratie darf man ebenfalls ein massives Interesse am Abschuss Straches unterstellen. Nur: Auch die hätte keinerlei Grund gehabt, zwei Jahre zu warten. Je eher in die Öffentlichkeit, desto besser.

War es ein öffentlich-rechtlich inszenierter Versuch einer versteckten Kamera, der angesichts seiner Brisanz dann doch nicht öffentlich-rechtlich gesendet wurde? Hielt man das kompromittierende Material zurück, bis die Gefahr eines FPÖ-Angriffs auf den ORF zu groß wurde? Wie groß aber ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Produkt zwei Jahre ohne Flurfunk und Getuschel geheim bleibt?

Waren es irgendwelche privaten „Gönner“, die erhebliche Mittel aufwendeten, um Strache ein Bein zu stellen? Auch dann die Frage: Warum zwei Jahre liegen lassen? Hätte man nicht sofort die Chance genutzt?

Waren es politische „Freunde“, die Material brauchten, um zum richtigen Zeitpunkt zuzuschlagen? Aus China sind solche Machenschaften bekannt. Auch in den USA soll so etwas gelegentlich vorkommen. Warum nicht auch in Europa? Dann allerdings hat daran jemand lange und strategisch gearbeitet – und er muss es so gemacht haben, dass die Spur niemals zu ihm zu verfolgen ist. Denn dann endet der Vorgang wie einst die Barschel-Engholm-Affäre.

War es gar Kanzler Kurz selbst, der sich politische Vorteile von dem Coup versprach? Immerhin kann er nun mit einem deutlichen Zugewinn bei der nächsten Wahl rechnen. Aber er könnte die Rechnung auch ohne den Wirt gemacht haben, sollte sich das ins Gegenteil verkehren.

Waren es Geheimdienste, die Material brauchten, um es zum richtigen Zeitpunkt gegen einen ungeliebten Politiker einsetzen zu können? Falls ja, scheiden USA und Russland aus. Beide gegenwärtigen Führer konnten mit Strache gut leben. Welch ein anderer Dienst aber sollte ein solches Manöver technisch fahren können – und politisch fahren wollen? Andere vermuten ein wirres „Zentrum für Politische Schönheit“ dahinter, zumindest als Briefträger.  Das klingt abenteuerlich, wie eine Posse – Aufklärung damit unumgänglich.
Hier ein Tip: Wer hat seinerzeit die Finca auf Ibiza gemietet?

Frage 4: Was sagt uns der Zeitpunkt der Veröffentlichung? Tatsächlich bleibt festzustellen: Dieses seit zwei Jahren in irgendeinem Giftschrank schlummernde Video wurde genau eine Woche vor der Wahl zum Europaparlament veröffentlicht.

Hat es also – auch wenn es scheinbar nur innerösterreichische Angelegenheiten betrifft – damit etwas zu tun? Diese Frage mit einem Nein zu beantworten, wäre naiv. Selbstverständlich ist die Veröffentlichung getimet. Perfekt getimet. Zumindest dann, wenn es darum geht, den von vielen befürchteten Erfolg der sogenannten Rechtspopulisten zu verhindern. Fast schon perfide gut getimet vor allem dann, wenn man sich vor Augen führt, dass genau zu diesem Zeitpunkt die Rechtspopulisten in Salvini-Italien ein internationales Großtreffen durchführten.

Diesem erklärten Feind der institutionalisierten Europäischen Union die Maske vom Gesicht zu reißen – denn so ist das Video und dessen Veröffentlichung zu verstehen – könnte ein gutes Motiv des Timing sein in der Hoffnung, dieser Lega-Ressemblement-Alternativ-Liga auf den letzten Metern noch wirksame Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Wäre es so, dann wäre die klassische Frage aller Kriminalisten nach dem Cui Bono – wem nützt es – angesagt. Wer vor allem hat auf EU-europäischer Ebene einen Nutzen davon, dass kurz vor Ziel ein treffsicheres Torpedo gegen die EU-Kritiker gesetzt wurde?

Frage 5: Warum haben nicht österreichische Medien, sondern die deutschen SPIEGEL und SZ die Aufnahmen veröffentlicht? Welches Interesse haben sie am Sturz der österreichischen Koalition? Natürlich weiß man, dass sie linksgrüne Blätter sind, denen die ÖVP-FPÖ-Koalition erheblich gegen den Strich ging. Bei Interviews geben sich ihre Vertreter als die Saubermänner der deutschen Medienlandschaft aus. Sie hätten nur aus lauteren Motiven heraus gehandelt. Wer´s glaubt, …

Zu deutlich haben sie zusammen mit den anderen deutschen Leitmedien gegen die österreichische Koalition gewettert. Auch SPIEGEL und SZ ist so manche Schandtat zuzutrauen, sind sie doch im sogenannten „investigativen Journalismus“ tätig. Das notwendige Kleingeld für die Ibiza-Aktion hätten sie, und die erforderliche Erfahrung auch!

Heute können wir die Fragen noch nicht beantworten. Aber sie können und sollen vielleicht den einen oder anderen zum Nachdenken anregen darüber, wie mit solchen Vorgängen Politik gemacht wird. Ohne dass am Ende dieses Nachdenkens zwangsläufig eine Verschwörungstheorie stehen muss.

Wir dürfen weiterhin gespannt sein. Das Drama ist noch nicht am Ende! Und irgendwer wird irgendwann einmal reden!