3. 4. 2019 Die Kabarettisten und ihre Grenzen
Oft schon haben die Potsdamer Demokraten an dieser Stelle die Zunft aus Komikern, Witzeerzählern, Hofnarren und politischen Kabarettisten kritisch hinterfragt. Zu oft kann man bei vielen Gags feststellen, dass sie billig auf Kosten anderer, vor allem der Politiker, gemacht werden, indem man ihnen Aussagen unterstellt, die aus dem Zusammenhang gerissen oder gar frei erfunden sind.
Und ein offensichtliches Publikum aus Claqueuren applaudiert frenetisch bei jedem noch so dümmlichen Kalauer, soweit der Fernsehzuschauer nicht sogar mit einem unterlegten Beifall hinter das Licht geführt wird, wie man bei „Extra 3“ manchmal deutlich merkt.
Ja, unsere Scherzkekse der Nation! Wenn sie doch wenigstens offenbaren würden, welcher Partei sie nahestehen oder gar angehören.
Bei unserem Altvorderen Dieter Hildebrandt (früher Münchener Lach- und Schießgesellschaft, zuletzt Scheibenwischer) wurde offiziell immer ein Geheimnis darum gemacht, dass er in tiefster Seele Sozialdemokrat war. Nur Ingo Appelt gab es einmal vor laufender Kamera zu, dass er der SPD angehört.
In normalen Zeiten sind Journalisten dafür zuständig, über Nachrichten zu informieren, und Kommentatoren dafür, Meinungen zu äußern, während sich die Kabarettisten um die satirische Nachrichtenbearbeitung kümmern. Doch diese Grenzen haben sich deutlich verschoben. Und wenn man dann noch weiß, dass auch mit Bildern Politik gemacht wird, dann merkt man mehr oder weniger deutlich, dass die Presse, an ihrer Spitze das öffentlich-rechtliche Fernsehen, den Zuschauer ganz schön manipuliert. Die Ära Merkel hat unser Land eingelullt und in einen Dämmerzustand aus Opportunismus, Diskursverschleppung und Paralyse versetzt. Aus diesem Grund müssen politische Kabarettisten sich nicht nur durch die Worthülsen und das Nichtssagende der politischen Macht kämpfen, sondern auch noch die journalistischen Defizite der loyalen Leitmedien aufarbeiten.
Die aktuellen Kabarett-Stars haben eigene Sendungen und keinerlei Skrupel, sich gegenseitig bei den unzähligen Inzucht-Satire-Sendungen zu ihren Programmen einzuladen (und zu bezahlen) und sich gegenseitig bei der Vergabe von „Comedy-Preisen“ vor blinkenden Sponsorenvorhängen mit Statuen und Pokalen zu versorgen.
Der bayerische Kabarettist Helmut Schleich äußerte dazu die folgende Vermutung: „Ich denke, dass viele dieser neuen Kleinkünstler gerade im TV die Chance sehen, relativ schnell groß rauszukommen. Da wird schnell taxiert, wie es in diesem Job um Karrierechancen und Verdienstmöglichkeiten bestellt ist.“
Für die Sender ist die Rechnung ganz einfach: viel Quote für sehr wenig Geld. Hildebrandts Münchner Kollege Bruno Jonas fügte hinzu: „Es gibt ja in diesem Land zurzeit ein großes Bedürfnis nach Empörung. Und nicht wenige Kollegen gefallen sich mächtig in der Rolle eines moralisch hochstehenden Empörungsdienstleisters. Ich bezeichne dieses paradoxe Auftreten, also die Pose aus maximaler Anklage und minimalster Konsequenz, als einen moralischen Populismus.“
Bei der ARD stand am Jahresende 2018 eine Woche der Gerechtigkeit auf dem Programm. Da ließen sich natürlich auch die Haus- und Hofkomiker nicht lumpen, und so wurde dieser Studiosermon mit wahren Ovationen beklatscht.
In diesem Sinne bot das Thema Gerechtigkeit den Kabarettisten ein großartiges Spielfeld: Wohnungsnot, Millionen prekärer Jobs, Migration, Altersarmut, Bildungszerfall, krankes Gesundheitswesen, Energiedebakel, Cum-Ex und den alltäglichen Irrsinn dieser Bananen-Groko hätte man sich auswählen können. Stattdessen johlten Nuhrs Claqueure über den doofen Kommunismus, über doofe Falschpinkler, doofe Arbeitslose, doofe Altachtundsechziger, frustrierte Populisten und doofe Kinder von doofen Eltern. Das Leben, so Nuhr, sei nun mal ungerecht.
Etwas Kante zeigt Nuhr immerhin beim Thema der muslimischen Machokultur und dem paradoxen Mitleidshumanismus der grünen Willkommenskultur: „Während auf islamische Märtyrer 72 Jungfrauen im Himmel schmachten, wartet auf die Frauen nur der eigene Ehemann.“
Schon in der oftmals verklärten Blütezeit des politischen Kabaretts in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dienten sich die Protagonisten als fahrender Wanderzirkus der SPD an. Man war sich einig im Engagement gegen die CSU im Allgemeinen und Franz Josef Strauß im Besonderen, Krieg, Atom, Amigo-Filz und US-Imperialismus. Warum erinnert das so an heute? Man braucht nur den Namen Strauß durch Seehofer zu ersetzen und CSU mit AfD zu ergänzen, dann weiß man es.
Wenn es jemandem gelingt, richtig Schmerzen zu bereiten, dann ist es Caroline Kebekus. Die hochdekorierte, ständig ausverkaufte, schonungslose, stimmgewaltige und provokativ-miniberockte rheinische Frohnatur ist im wahrsten Sinne die Sprachröhre der rot-grünen Weltidee. Früh schon ging sie auf Nummer sicher, leckte im Nonnenkostüm ein Kruzifix ab und reimte: „Er ist meine Bank, nur für ihn zieh ich blank.“ Als sie munter weiter geiferte – „Bei Gott geht der Punk ab, weil nur er den Funk hat; Jesus ist der Shit, und wer das nicht glaubt, der kackt ab“ –, intervenierte die Bischofskonferenz beim WDR, worauf sich der Sender und seine angestellte Aktivistin damit schmücken dürfen, nunmehr als knallharter, hemmungsloser, antiklerikaler Tabuknacker gegen rechts anzukämpfen.
Den ARD-Fernsehräten gilt die verhaltensauffällige Künstlerin als Erotikum, um die Jugend wieder an die matte Scheibe zu holen. Zudem entspricht alles, was Frau Kebekus in ihrer juvenilen Wut von sich kreischt, mehr oder weniger genau dem Stammtisch-„Framing“ des regierenden Tugendregimes: AfD. Alte weiße notgeile Männer – ebenso. Erdogan, Orbán, Putin und vor allem Trump – die können sich auf was gefasst machen, wenn Carolin zum Florett greift: „Ein 15-jähriger pubertierender Junge, gefangen im Körper eines 70-jährigen orangefarbenen Mannes“.
Und auch in Sachen Brexit-Briten weicht das It-Girl nicht ab vom Mainstream zwischen Kanzleramt und dessen grün-rotem Helfershelfern: „Euer Land hat Scheißfraß, und die Männer haben Titten. Niemand braucht auf Malle vollgesoffene Briten.“ Schlimmer geht´s nimmer!
Links sein stand und steht für die klassischen Werte: Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Pazifismus, Aufklärung, Solidarität, Freiheit aller Menschen und Zivilcourage. Dieses Geschäft im kabarettistischen Sinne betreiben derzeit noch die Macher der „Anstalt“, Pelzig und Priol. Schramm und Pispers haben sich ins Youtube-Archiv verabschiedet. Die restlichen „linken“ Satiriker sind durch die beiden Fußfesseln der Migrationsfrage und der Russlandparanoia moralisch ans Kanzleramt angekettet.
Der schon erwähnte Bruno Jonas ist eine der wenigen Kabarettgrößen ohne Kollisionsscheu mit dem grünen Wellnessmilieu: „Ich sehe die Grünen auf dem Weg zur neuen Religionsgemeinschaft, hochstilisiert zu den Heiligen der Letzten Tage, für die wir irgendwann Kirchensteuer zahlen müssen. Deren Dogmen, alle diese nicht mehr hinterfragbaren Wahrheiten, ihre apokalyptischen Versprechen und das warnende Geraune schreien doch nach satirischer Bearbeitung.“ Damit verursacht er bei seinen angestammten Fans ziemliche Irritationen. „Wer den linken Laufstall überschreitet, wird als Abtrünniger behandelt. Logische Argumente spielen dabei keine Rolle. Humor, Selbstironie und Querdenken sind im linksgrünen Bereich nicht erwünscht. Wenn ich mir das in Ruhe betrachte, stelle ich fest, dass das politische Kabarett nach und nach auf Linie gebracht wurde.“
Noch ratloser reagieren die Zuschauer, wenn Jonas so loslegt: „Also, der Islam gehört zu Deutschland? Wir erinnern uns ja alle an jenen unglücklichen Bundespräsidenten Wulff, als er diesen populistischen Satz vom Blatt las. Genauso populistisch sage ich Ihnen: Der Islam gehört nicht zu Deutschland! Wer oder was ist denn dieser Islam? Da gibt es Sunniten, Schiiten, Aleviten, Wahhabiten, es gibt deutsche Salafisten, die Muslimbruderschaft, versprengte IS-Kämpfer, dann die Al-Nusra- Befreiungsfront und den angeblich aufgeklärten Islam. Und die sollen alle zu Deutschland gehören? Nein! Wissen Sie, wer zu Deutschland gehört? Friedliebende Muslime, die sich ans Grundgesetz und die Grundrechte gebunden fühlen.“ Klatschen? Kaum.
Bleibt noch ein Wort zu Jan Böhmermann, der den türkischen Präsidenten Erdogan
unflätig beschimpfte und damit zu einem Politikum wurde, als er dem türkischen Präsidenten vorhielt, dass er übel rieche, Mädchen schlage, geschlechtlich mit Ziegen verkehre, Kinderpornos schaue, eine „dumme Sau“ mit „Schrumpelklöten“ sei und zudem „schwul, pervers, verlaust und zoophil“ und an Gangbangpartys teilnehme, „bis der Schwanz beim Pinkeln brennt“.
In normalen Zeiten sind satirische Zuspitzungen und Verdrehungen nicht um jeden Preis durch die künstlerische Freiheit gedeckt. Aber wir leben nicht in normalen Zeiten, und vor den deutschen Gerichten ist Erdogan mit seinen Klagen gegen Böhmermann abgeschmiert.
Und die Karnevalisten? Da gibt es durchaus Ähnlichkeiten. Wenn man sich ansieht, wie so manche Narren über die Politikprominenz herziehen, die zum Teil noch in der Sitzung anwesend ist und gute Miene zum bösen Spiel machen muss, dann ist das einfach nur peinlich. Von dem ersten Redner bei „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ am 2. 3. 2019 (Ernst Grom als „Protokollchef“) konnte man nur noch unangenehm berührt sein und sich wundern, dass das Publikum auch noch Beifall klatschte.
Da muss man sich einfach nur noch fremdschämen.