25. 1. 2019 Der Verfassungsschutz und die AfD
In einem vertraulichen Bericht, der nach eigenen Angaben der Süddeutschen Zeitung vorliegt, rechtfertigt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sein Vorgehen gegen die AfD. Die größte Gefahr sehen die Geheimdienstler demnach nicht im System-Umsturz, sondern im Rassismus der Partei, den auch und vor allem Björn Höcke mit seinem „Flügel" propagiere.
436 Seiten stark ist das vertrauliche Gutachten, mit dem das Amt begründet, warum Teile der AfD ein „Verdachtsfall" in Sachen Extremismus sind und die Gesamtpartei bundesweit zum Prüffall erklärt wurde. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung unter Bezugnahme auf die Verschlusssache.
Allerdings fragt man sich an dieser Stelle, wer den Bericht durchgestochen hat und ob das nicht sogar von höchster Stelle gedeckt war. Denn der Verfassungsschutz ist eigentlich nicht dafür bekannt, dass er die Öffentlichkeit sucht. Was ja auch seinem Wesen völlig widersprechen würde. Ob es vielleicht sogar jemand aus dem Innenministerium oder aus dem Kanzleramt war, die sicherlich vorab informiert worden waren? Und man darf auch die Frage stellen, ob denn eine Strafanzeige wegen Geheimnisverrats gestellt wurde.
Zurück zum Bericht:
Eine Haupterkenntnis laut Süddeutscher Zeitung: Der Verfassungsschutz geht gegen die AfD weniger wegen des Verdachts vor, die Partei wolle das parlamentarische System, also die Demokratie, umstürzen. Schließlich bekenne sich die AfD in ihrem Grundsatzprogramm prinzipiell zur demokratischen Ausgestaltung des Staates und mache sich in diesem Punkt nicht offensichtlich angreifbar.
Als überprüfenswert, da explizit zur Schau gestellt, schätzt das BfV den unverkennbaren Rassismus innerhalb der AfD ein, der auf einem "biologisch-rassistischen oder ethnisch-kulturellen Volksbegriff" basiere, wie die SZ aus der vertraulichen Verschlusssache zitiert. Vor allem beim rechtsnationalen "Flügel" um den Thüringer Partei- und Fraktionschef Björn Höcke und der Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) trete dieser Rassismus zutage
Der Bericht ist durchaus vorsichtig formuliert, offenbar um dem Vorwurf einer etwaigen Voreingenommenheit entgegenzuwirken. So sei es natürlich „zulässig, tatsächliche und vermeintliche Kriminalität von Migranten, gegebenenfalls auch scharf und polemisch, zu thematisieren und zum Gegenstand des politischen Diskurses zu machen", argumentieren die Verfassungsschützer.
Doch da die AfD „eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, wie zum Beispiel Muslime oder außereuropäische Migranten, als ihrer Natur nach kriminell, aggressiv, triebgesteuert und gefährlich" darstelle, rechtfertige dies die Einschätzung als "Prüffall".
Ein weiteres Kriterium für den Verfassungsschutz: Den Angehörigen einer solchen Bevölkerungsgruppe werde das Recht auf freie Selbstentfaltung, Religionsausübung oder Mitwirkung am politischen Entscheidungsprozess vollkommen abgesprochen, „indem ihre vollständige Anpassung in Verhalten und Denken an den Durchschnittsdeutschen verlangt wird".
Die Betonung des "Deutschtums" durch die AfD interpretiert der Verfassungsschutz als eine Form von Rassismus. Als Beispiel dient der Vortrag von Hans-Thomas Tillschneider. Der Parteirechte sagte beim alljährlichen Kyffhäusertreffen des "Flügels" im vergangenen Juni: „Jeder unserer Gedanken, jedes unserer Worte, unsere gesamte Weltsicht ist deutsch. Wie sollen wir da definieren, also eingrenzen, was deutsch ist? Es gibt ein deutsches Verständnis von Familie, eine deutsche Art sich zu kleiden. Es gibt eine deutsche Art zu arbeiten, eine deutsche Art zu kochen, eine deutsche Art zu bauen, eine deutsche Art zu musizieren, und diese Art unterscheidet sich von allen anderen Völkern."
Für die Verfassungsschützer äußert sich in diesem Ausspruch ein „übergriffiges Verständnis deutscher Identität", wonach alles im Leben eines Deutschen „deutsch zu sein" habe. Wer durch eine solche Maxime andere Menschen ausgrenze und abwerte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sei ein Fall für den Verfassungsschutz, heißt es in dem Bericht.
Ob man da künftig noch deutsche Küche, deutsche Schlager oder deutsche Literatur erwähnen darf, ist mehr als zweifelhaft. Besser, um nicht ins Visier des BfV zu geraten, dürfte sein, von bayerischer Küche oder den thüringischen Dichtern Goethe (obwohl in Hessen geboren) und Schiller (in Württemberg geboren) sprechen. Vielleicht sollte man das Adjektiv „deutsch“ gleich ganz unterlassen.
Die dritte Grenzüberschreitung habe die AfD mit der Forderung begangen, die Angehörigen von Minderheiten menschenunwürdigen Maßnahmen - wie "Massenabschiebungen ohne Einzelfallprüfung, Abschiebungen bei drohender Folter oder Todesstrafe sowie vollkommener Untersagung der Religionsausübung" auszusetzen.
Die AfD ist nach Aussagen ihres Vorsitzenden Gauland nicht im Besitz dieses Berichts, der schon längst durch die Journaille wabert. Aber sie will gerichtlich dagegen angehen.
Auf die Entscheidung der Justiz darf man gespannt sein.
Wie das Ausland darüber denkt, findet man in der Neuen Züricher Zeitung. Hier der Link:
https://www.nzz.ch/international/der-deutsche-geheimdienst-tut-sich-keinen-gefallen-ld.1454046?mktcid=smsh&fbclid=IwAR2ewNy1M6x74LKppmVPpHeLvZa4einx20Iy_3VWyhelBvQa17ZBasjfNlg