3. 1. 2019 Claas Relotius und der SPIEGEL

Das spricht für den SPIEGEL: Er hat es selbst öffentlich gemacht, dass er von dem festangestellten Mitarbeiter Claas Relotius hereingelegt worden ist und redaktionelle Beiträge veröffentlich hat, die ganz oder teilweise der Phantasie des Schreibers entsprungen sind.

Schlimm genug, ist es doch Wasser auf die Mühle des immer öfter zu hörenden Vorwurfs der „Lügenpresse“. Aber gegen derartige Phantasie-Schreiber ist letztlich kein Kraut gewachsen. Das kann immer ´mal wieder passieren.

Aber die SPIEGEL-Chefs tun so, als wenn sie auf Claas Relotius reingefallen wären. Mal abgesehen davon, dass die Texte schon für Laien erkennbar verdächtig "perfekt" waren, kam der Autor bereits mit einem einschlägigen "Fake News Register" zum SPIEGEL. Zuvor flog er nämlich wegen plumper Fälschungen bei "Neue Zürcher Zeitung" raus. Kaum zu glauben, dass dies den SPIEGEL-Verantwortlichen verborgen geblieben ist.

Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) trennte sich bereits 2014 von Claas Relotius. Der Grund: Plumpe Fälschungen, die von Lesern aufgedeckt wurden. Danach ging der Autor zum SPIEGEL, wo er mit offenen Armen empfangen wurde.

Bei der NZZ ging es z.B. um eine billige Story über eine finnische Friseuse. Es ging um den Artikel «Blondinen färben ihr Haar dunkel»  Auch hier stimmte fast alles nicht. Noch nicht mal der Vorname. Die Fälschungen waren so gravierend, dass sich Leser im Kommentarbereich heftig beschwerten.

„Bei diesem Bericht muss es sich um eine Fiktion handeln: Erstens ist der Name Hannu ein Männername (Hans), zweitens existiert dieser Coiffeursalon in Lahti nicht, und drittens sind die Preise pro Haarschnitt bedeutend höher (z.B. Kinder bis 8-12 Jahre 26€). Auch die Preise für Milch, Brot und Kinobillette sind höher. Ein Liter normale Milch kostet ungefähr 1,20 €. Vom NZZ Folio erwarte ich eigentlich recherchierte Berichte.“

Die NZZ schreibt dazu:

"Claas Relotius hat sich in den Jahren 2013 und 2014 bei uns gemeldet, um uns Beiträge für die Kolumne «Beim Coiffeur» anzubieten – wie das viele freie Journalisten getan haben. Eine aufmerksame Leserin wies uns gleich nach Erscheinen dieses Texts auf Unstimmigkeiten hin. Wir konfrontierten den Autor damit und sahen uns anschließend zum bizarrsten Korrigendum veranlasst, das wir je veröffentlichen mussten. Auf die weitere Zusammenarbeit, die Claas Relotius uns angeboten hat, verzichteten wir in der Folge."

Angesichts dieser Vorgeschichte stellt sich die Frage, wie dieser Umstand Journalisten beim SPIEGEL verborgen bleiben konnte. Oder hat man in der Chefetage das bekannte Fake News Register von Relotius bewusst ignoriert, weil er die politischen Vorgaben so fantasievoll umsetzte?

Die "Bild" berichtet in ihrer Samstagausgabe über ein Schreiben des designierten Chefredakteurs Steffen Klusmann an die Mitarbeiter, wonach Ullrich Fichtner und Matthias Geyer "ihre neuen Verträge erst mal aussetzen und ruhen lassen", bis die hausinterne Kommission die Relotius-Affäre "abschließend untersucht" habe.

So kommt es vermutlich auch beim SPIEGEL zu personellen Konsequenzen. Der Fälscher-Fall habe "bei einigen die Frage aufgeworfen, ob Ullrich Fichtner als Chefredakteur und Matthias Geyer als Blattmacher nach einem solchen Desaster eigentlich noch tragbar sind", schreibt Klusmann.

Der eine habe "Claas für den `Spiegel` entdeckt", der andere habe ihn fest angestellt und "bis zuletzt geführt". Beide hätten bereits ihren Rücktritt angeboten.

Damit wäre eigentlich die Angelegenheit erledigt, denn – wie oben bereits erwähnt – ist man gegen derartige Fälscher mindestens in der Anfangszeit machtlos. 

Aber der Vorwurf der Lügenpresse ist nicht erledigt. Bei derartigen Berichten wie aus Finnland ist man gegen Unwahrheiten oder Übertreibungen nicht gefeit. Hier müssen interne Maßnahmen der Redaktionen Schutz bieten.

Viel schlimmer sind die Unrichtigkeiten aus den Pressestellen der Ministerien und der Parteien/Fraktionen und manchmal auch der nachgeordneten Behörden, die natürlich im wahrsten Sinne des Wortes „parteilich“ sind und oft genug die Wahrheit im Interesse ihres Ministers oder Parteichefs verdrehen. Die Franzosen haben das mit dem Begriff „Corriger la Fortune“ verniedlicht.  Sie werden zu oft unreflektiert an die Nutzer weitergegeben, wobei auch der Hinweis auf die Quelle meist zu wenig ist.

Hier darf und muss man von der Presse erwarten können, dass sie nicht alles nachplappert, sondern mit gesundem Menschenverstand und gegebenenfalls mit aushäusiger Sachkenntnis die Mitteilungen verifiziert.

Das sind sie sich selbst und ihren Nutzern, den Lesern resp. Zuhörern und Zuschauern. schuldig!