24. 6. 2018 Eurokrise - Das Problem ist der Euro selbst
Seit die Angst vor einem EU-Austritt Italiens umgeht, ist die Eurokrise plötzlich wieder in aller Munde. Dabei können Alles-in-Butter-Sprachregelungen von Junker und Draghi nicht darüber hinwegtäuschen: Das System funktioniert nicht mehr.
Jetzt steht wieder ein alter Bekannter vor der Tür: die Euro-Krise! Wer hätte das für möglich gehalten? Wenn man sich in diesen Tagen durch den Blätterwald arbeitet oder ein Radio beziehungsweise einen Fernseher anschaltet, muss man den Eindruck gewinnen, dass die Euro-Krise wie aus dem heiteren Wirtschaftshimmel plötzlich wieder über uns zu kommen droht. War denn nicht alles prima? Wirtschaftswachstum überall? Entspannung und Gesundung, egal wohin man schaut? Sogar Griechenland und Spanien auf dem rechten Weg?
Schön wär’s. Aber genau das ist nicht der Fall und war es nie. Wir werden wieder einmal von den Fachleuten und der Presse, die die Aussagen unkontrolliert übernimmt, falsch informiert. Es reicht ein Blick in die Zahlen. Der ist zwar unpopulär und macht nur Wenigen Spaß, ist aber mitunter hilfreich.
Da ist zunächst die Industrieproduktion. Nimmt man das Jahr 2000 zum Ausgangspunkt, so sank die Industrieproduktion bis 2017 in Frankreich um 11,8 Prozent, in Italien um 20,2 und in Griechenland um 21,8 Prozent. Noch ärger sind die Zahlen, wenn man als Vergleichswert die Daten vor dem Crash von 2008 zu Grunde legt. Überhaupt fällt auf, dass trotz der äußerst expansiven Geldpolitik der EZB weder die EU-Länder noch die Euro-Zone nach der Krise von 2008 einen nennenswerten Aufschwung erlebt haben. Das ist äußerst ungewöhnlich und ein Alarmzeichen. Bei der Bauproduktion sieht es übrigens – anderslautenden Gerüchten zum Trotz – nicht besser aus.
Aber EZB und EU halten unvermindert an der „Alles-in-Butter-Sprachreglung“ fest.
Ähnlich katastrophal entwickelte sich die Arbeitslosenquote. Die stieg in Italien im Zeitraum von 2008 bis 2017 von 6,5 auf 11,8 Prozent, in Spanien von 9,3 auf 19,6 Prozent und in Griechenland von 8,4 auf 23,3 Prozent.
So verwundert es nicht, dass Wirtschaftswachstum im Euroraum praktisch nicht stattfindet – insbesondere, wenn man Deutschland herausrechnet. In Italien ist die Lage verhängnisvoll. Und die in den Medien freudig verkündeten Zahlen aus Spanien und Griechenland sind vor dem Hintergrund der gigantischen Einbrüche der letzten Jahre lachhaft: 1,35 Prozent (Wachstum BIP Griechenland 2017) von nichts ist qauasi nichts!.
Aber diese Wahrheiten wurden auch in den Medien in den letzten Monaten überwiegend ignoriert. Liegt das am amgenlnden Sachverstand der Journalisten? Man folgte lieber der Alles-ist-in-Butter-Sprachregelung seitens der EZB und der EU. Es kann eben nicht sein, was nicht sein darf. Allzu sehr hat man sich auch in der Mainstreampresse die einfältige Gleichung zu eigen gemacht, wonach der Euro gleich EU und die EU gleich Europa ist und daher im Umkehrschluss nur der Euro die Zukunft Europas garantiert. Wenn das ´mal nicht ein großer Irrtum ist.
Dabei ist das Problem das alte: Eigentlich müsste Italien abwerten, was aber wegen des Euro nicht geht. Alternativ könnte man noch die Produkte Italiens günstiger machen, etwa indem man die Löhne kürzt und damit die Herstellungskosten verringert – eine absurde Vorstellung. Und auch die Variante, deutsche Produkte über Steuern oder drastische Lohnerhöhungen zu verteuern, will nicht überzeugen. Bleibt nur die vierte Möglichkeit, um die Spannungen im Währungsgefüge auszugleichen: Geld muss fließen.
Nun klingt die Rhetorik der neuen italienischen Regierung diplomatischer und versöhnlicher als nach dem ersten Kabinettsbildungsversuchs. Doch in Rom weiß man natürlich genau: Deutschland ist erpressbar. Ein Austritt Italiens aus dem Euro wäre vor dem Hintergrund der italienischen Verbindlichkeiten verhängnisvoll. Insgesamt steht Italien bei Deutschen Instituten mit 90,5 Milliarden Euro in der Kreide. Was das im Falle eines Ausstiegs Italiens aus dem Euro und einer abgewerteten Neu-Lira bedeuten würde, ist klar: Rettungs-Steuergelder für deutsche Banken.
Noch ärger ist die Situation in Frankreich, dessen Banken mit 310,8 Milliarden Euro in Italien engagiert sind. Das bedeutet: Frankreich wird politisch alles tun, um Italien im Euro zu halten. Egal was Italien fordert: Schuldenerlass, Lockerung der Stabilitätsauflagen, ein explodierendes Defizit durch Steuersenkung plus höhere Sozialausgaben – Italien wird es bekommen, aller Berliner Rhetorik zum Trotz.
Denn das Problem ist der Euro selbst. Eine erträgliche Lösung kann es in seinem Rahmen und aufgrund der vorgegebenen Bedingungen nicht geben. Im Grunde hat man nur die Wahl zwischen einem dauerhaften wirtschaftlichen Niedergang und einer plötzlichen harten Rezession im Falle des Euro-Kollaps. Keine besonders attraktiven Alternativen. Und es ist nur allzu menschlich, dass man in Berlin lieber einen Schrecken ohne Ende wählt als ein Ende mit Schrecken. Zumal sich der Schrecken zurzeit noch gut anfühlt, da Deutschland sich über das Target-System erfolgreich seine eigenen Produkte abkauft. Wie lange das gut geht, darüber darf spekuliert werden.