4. 6. 2018 Gauland und sein „Vogelschiss“-Zitat

Manchmal sollte Alexander Gauland nachdenken, bevor er losplappert. Sein Boateng-Zitat oder seine Lobhudelei der deutschen Wehrmacht waren unglücklich, ja sogar schwer zu ertragen.

Aber mit den zwölf Jahren III. Reich hat er Recht. Die deutsche Geschichte allein auf diese zwölf Jahre zu reduzieren, ist nicht nur falsch, sondern auch eine Beleidigung der anderen Errungenschaften unseres Landes.

Wie alt ist unser Land und welche Relation haben diese zwölf unseligen Jahre? Wo setzen die Historiker die Geburtsstunde eines Staates namens Deutschland (Germanien, Alemania) an? Die alten Römer kannten schon ein Gebilde namens Germania, und Millionen deutscher  Schüler mussten sich mit Cäsars „De Bello Gallico“ auseinandersetzen.

Oder setzen die Historiker die Völkerwanderung als Geburtsstunde an, als das römische Reich von germanischen Stämmen überfallen wurde, wobei sich die Wandalen besonders hervortaten. Oder waren es die Merowinger resp. ihre Nachfolger, die Karolinger, die mit Kaiser Karl dem Großen den Beginn eines Reiches markierten?

Wie auch immer, gehen wir einfach einmal von der Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahre 800 aus. Dann besteht ein deutscher Staat, wenn er auch damals noch Frankenreich genannt wurde, grob seit ca. 1.200 Jahren. Was sind da die zwölf Jahre des unheilvollen III. Reiches? Richtig: 1 Promille !

Man hätte es auch anders ausdrücken können, ohne die Exkremente eines Vogels zu zitieren: Es war ein Wimpernschlag in der Geschichte der Menschheit, in der neueren Geschichte seit Christi Geburt und auch seit der Existenz eines deutschen Staates. 

Deutschland auf diese zwölf Jahre zu reduzieren, geht schlichtweg an der Realität vorbei. Deutschland ist viel mehr – es ist auch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, die Reformation, das Volk der Dichter und Denker und die Sozialgesetzgebung von Kanzler Bismarck (Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung) bis Kanzler Kohl (Pflegeversicherung) sowie unser Grundgesetz, auf das wir zu Recht stolz sein können.

Nein, die zwölf Jahre des Nazi-Reiches sollen hier nicht verharmlost werden. Hitler war ein Diktator übelster Sorte, und der Massenmord an den Juden (und den Andersdenkenden) ist durch nichts zu entschuldigen oder gar zu verharmlosen. Hier muss alles getan werden, damit sich so etwas nicht wiederholt.

Aber auch das gilt nicht nur für Deutschland, denn für das vergangene 20. Jahrhundert muss sich ein Großteil der Menschheit schämen. Es begann mit dem Genozid an den Armeniern und hörte mit dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien auf. An die Schreckensherrschaft Stalins in der ersten Hälfte des Jahrhunderts sowie an jene von Pol Pot in der zweiten will man gar nicht mehr denken, und auch der nordirische Bürgerkrieg gehört in diese Reihe.

Unter diesen Umständen fragt man sich, warum die Mainstream-Presse einschl. öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Fernsehen und die Gutmenschen in der Politik unisono über Gauland herfallen.  Haben sie keine historische Ausbildung gehabt oder wollen sie einfach nur wider besseres Wissen politische Gegner diffamieren?

Gauland war mit dieser Meinung nur einer von 65 Prozent der deutschen Bevölkerung. Nach einer Emnid-Umfrage im Auftrages des SPIEGEL aus dem Jahre 2001 stimmten 65 Prozent der Befragten dem Satz zu: „Die deutsche Geschichte wird zu stark auf die zwölf Jahre Nationalsozialismus reduziert.“ Und 61 Prozent stimmten dem Satz zu: „Man sollte die NS-Vergangenheit endlich auf sich beruhen lassen und nicht immerzu in alten Wunden stochern.“ Zwar ist diese Umfrage 17 Jahre alt, aber es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass sie auch heute noch aktuell ist.

Man darf sich auch fragen, wer diesen Aufschrei gegen das Gauland-Zitat imitiert hat. Ziemlich gleichzeitig kamen alle aus der Deckung, die Vertreter der Fraktionen im Bundestag, das öffentlich-rechtliche Fernsehen und die Print-Presse. Selbst den PNN war das Zitat die gesamte Titelseite sowie die 2. Seite wert. 

Der unbedarfte Beobachter kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier von Meinungsmachern eine große Champagne zeitgleich gestartet worden ist. Und wer sind die Meinungsmacher? Sind es die Medienmogule der Madsack-[1] oder Funke-Verlagsgruppe, sind es die politischen Vordenker in den Parteien?

Dort, wo Gauland Fehler macht, kann und muss er wie jeder andere Politiker und jede andere Partei  zu Recht angegriffen werden. Ihn um jeden Preis  anzugreifen, auch wenn er Recht hat, ist durchsichtig und billig und spielt nur der AfD in die Hände.

 

 

 



[1] Größter Kommanditist der Madsack-Verlagsgruppe ist die SPD