17. 5. 2018 Die EU braucht mehr Geld – und Deutschland soll es liefern

Mit dem Brexit entsteht eine Lücke im EU-Haushalt. Ginge es nach Günther Oettinger, dem EU-Finanzkommissar, sollte Deutschland diese Lücke schließen.

Zum Hintergrund

Der jährliche Haushalt der EU hat 2017 einen Umfang von rund 145 Milliarden Euro. Deutschland ist traditionell der größte Nettozahler und zahlt pro Jahr insgesamt 23,27 Mrd. Euro und damit 13 Mrd. Euro mehr in den Haushalt ein, als es daraus bezieht.

Durch den Austritt des zweitgrößten Nettozahlers Großbritannien gerät das komplizierte System der Finanzierung des EU-Haushalts aus dem Tritt. Mittelfristig fehlen jährlich zehn bis elf Milliarden Euro. Diese Lücke wäre allerdings durch Einsparungen im Haushalt ohne weiteres zu schließen. Es ist schließlich nicht einzusehen, dass aus dem EU-Haushalt allein rund 56 Milliarden Euro jährlich in die Landwirtschaft fließen, das meiste davon in pauschale Flächensubventionen an Besitzer großer Höfe.

Die Kommission möchte zwar bei Agrarausgaben sparen, doch die dabei erzielten Erfolge sind mehr als schwach, zudem soll bei anderen Ausgaben deutlich zugelegt werden. 

Zusätzliche Gelder aus Deutschland

Die zusätzlichen Lasten sollen nach dem Willen der EU-Kommission vor allem von Deutschland getragen werden. Der Haushaltskommissar Günther Oettinger erklärte vor einigen Tagen, dass Deutschland auf der Basis seines Vorschlags jährlich elf bis zwölf Milliarden Euro zusätzlich zahlen müsse. Die deutschen Zahlungen steigen dadurch um rund 50 Prozent, die Nettobelastung wird sich also in etwa verdoppeln.

Die Kommission greift damit einen Ball auf, den ihr Deutschland und vor allem die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz selber zugespielt hatte: Der hat 2017 in seinem fehlgeschlagenen Wahlkampf behauptet, die Probleme Europas lägen an einem Mangel an Geld. Dazu hat er in Aussicht gestellt, dass Deutschland diesem Mangel durch mehr finanzielle Leistungen abhelfen werde. Dieser Irrtum fand indirekt auch Eingang in die Koalitionsvereinbarung. Er erleichtert jetzt Jean-Claude Juncker und Günther Oettinger das Geschäft bei der Begründung ihrer übertriebenen Forderung.

Hat Deutschland wirklich Geld übrig?

Immer wieder hören wir, Deutschland sei doch so reich. Oft wird - auch von anderen EU-Ländern -unterstellt, dass unser angeblicher Reichtum auf Kosten anderer gehe. Das ist natürlich barer Unfug: Deutsche Waren und Produkte sind im Ausland sehr beliebt. Umgekehrt ist das weniger der Fall: Soviel französischen Rotwein und amerikanische I-Phones können die Deutschen gar nicht kaufen, wie sie beim Export von Autos und Maschinen einnehmen. 

Darum steigen die deutschen Vermögensanlagen im Ausland und ebenso die gewaltigen Kredite, die die Deutsche Bundesbank über das Target-System[1] indirekt anderen Euroländern gewährt. In der Bilanz des Eurosystems sind mittlerweile in den sogenannten Target-Salden 750 Milliarden zugunsten der Deutschen Bundesbank aufgelaufen. In diesem Umfang haben andere Euroländer die Waren aus Deutschland mit Notenbankkrediten finanziert. Dagegen stehen die EZB, Spanien und Italien mit zusammen mehr als 1 Billion Euro „in der Kreide“.

Es gibt also gewaltige Ungleichgewichte in Europa. Sie haben nichts mit den Lücken im EU-Haushalt, aber sehr viel mit den Zwängen des Euro und den Wettbewerbsmängeln der Volkswirtschaften der Südländer zu tun.

Ein Zeichen der europäischen Solidarität

Auch argumentieren viele selbst in Deutschland, dass zwölf Milliarden Euro mehr aus Berlin für Brüssel für die reichen Deutschen gar kein Problem seien. Aber das verbessere die Atmosphäre und zeige unseren guten europäischen Willen. Immerhin hätten die Öffentlichen Haushalte in Deutschland 2017 einen Überschuss von 36,6 Milliarden Euro. Sei es da nicht fair, davon ein Drittel in europäische Solidarität zu investieren?

So kann man denken, aber ist das wirklich richtig, und wem wird damit geholfen? 

Woher kommen die deutschen Haushaltsüberschüsse?

Seit Angela Merkel Kanzlerin wurde, stieg die Abgabenquote[2] am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 38,2 auf 40,3 Prozent, das sind satte 68,5 Milliarden Mehreinnahmen jährlich rein auf Kosten der Bürger.

Gleichzeitig hat der deutsche Staat lt. Deutscher Bundesbank wegen der Niedrigzinspolitik der EZB jährliche Zinsersparnisse von rund 49 Milliarden Euro.

Wo fehlt das Geld in Deutschland?

Heimliche Steuererhöhungen und niedrige Zinsen haben zusammen den Staat um 117 Milliarden Euro entlastet. Da ist es keine Kunst, einen Haushaltsüberschuss von 36 Milliarden Euro zu erzielen. Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble, sein Nachfolger Olaf Scholz und seine Kollegen in Ländern und Gemeinden kamen in den vergangenen Jahren quasi im Schlaf zu einer scheinbaren Haushaltssanierung. 

Das Wort „scheinbar“ ist hier notwendig, weil es bei der Qualität der staatlichen Aufgabenerfüllung an vielen Stellen lichterloh brennt:

 •  Unsere Infrastruktur bröckelt, auf vielen Autobahnen herrscht Dauerstau. 

 •  Die deutsche Art der Klimawende macht Energie nicht nur immer teurer, sondern ihr Angebot auch immer instabiler.

 •  Die Leistungen unserer Schüler sinken. Intelligenz und Wissen, die wichtigsten Rohstoffe Deutschlands und der eigentliche Garant unseres Wohlstands, werden künftig immer knapper.

 •  Die direkten und indirekten Ausgaben für die Folgen der Masseneinwanderung steigen und liegen lt. Thilo Sarrazin jetzt bei rund 30 Milliarden Euro im Jahr. Sie bilden heute schon eine Zukunftslast von vielen 100 Milliarden Euro.

 •  Die Gerichte haben so lange Bearbeitungszeiten, dass so mancher eher stirbt, als sein Rechtsstreit entschieden ist. Oder er nutzt obskure Inkassoagenturen, weil er nicht solange warten will. Und die Verwaltungsgerichte ächzen unter einer Überlast. Zu 80 Prozent befassen sie sich nur noch mit Asylverfahren.

 •  Der Rentnerberg, der in wenigen Jahren droht, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der sechziger Jahre in Pension gehen, ist immer noch nicht finanziert, obwohl man seit 40 Jahren Zeit hatte, sich auf ihn vorzubereiten.

 •  Die Bundeswehr ist ein Trümmerhaufen, wie der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages erst vor kurzem in seinem Jahresbericht festgestellt hat. Mit ihren traurigen Resten sei konventionelle Verteidigung in Europa tatsächlich unmöglich geworden. Um die jährliche Annäherung unserer Militärausgaben an das Nato-Ziel von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, d. h. der Wert aller Waren und Dienstleistungen in Deutschland, wird ein kleinlicher Streit geführt. Das BIP betrug im Jahr 2017  3,263 Billionen Euro. Davon sind  2 Prozent  65,26 Mrd. Euro, aber tatsächlich weist der Bundeshaushalt nur 37 Mrd. Euro aus.

Kurzum: Auf vielen Gebieten öffentlicher Aufgabenerfüllung in Deutschland sind zwölf Milliarden Euro weitaus besser angelegt als in der Aufblähung der europäischen Bürokratie und ihrer Subventionen.  

Und an die Entlastung des Steuerzahlers darf man in diesem Zusammenhang gar nicht denken, obwohl der Soli fast 30 Jahre nach der Wende nun wirklich mehr als überflüssig ist. 

Bleibt zu hoffen, dass unsere deutschen Bundestags- und Europaparlament-Mitglieder das erkennen und wissen, worum es geht, auch wenn man mit diesen Zahlen keine Stimmen in seinem Wahlbezirk einfangen kann.

 [1] Alle Zahlungen zwischen internationalen Käufern und Verkäufern werden über die nationalen Zentralbanken sowie über die EZB abgewickelt

 

[2] Die Abgabenquote ist eine Kennzahl, die den Anteil von Steuern und Sozialabgaben an der Wirtschaftsleistung, also am Bruttoinlandsprodukt, eines Landes in Prozent angibt