5. 6. 2013 Eine entscheidungsfreudige SVV – wenn auch nicht immer im Sinne der Potsdamer Demokraten
Oft sind die Stadtverordneten nicht willens, in großer Runde – also im Plenum vor allen 56 Stadtverordneten – ihre Argumente auszutauschen und schieben deshalb gern problematische Anträge in die Ausschüsse. Nicht so am 5. 6. 2013, was wohl der Tatsache geschuldet war, dass es sich um die letzte Sitzung vor der Sommerpause gehandelt hat. Da musste noch alles vom Tisch!
Das Wichtigste zuerst:
Die Stadtverordneten stimmten der Vorlage des Oberbürgermeisters (OB) zur Entwicklung des Kasernengeländes in Krampnitz zu. Der Einwand von Wolfgang Cornelius, Potsdamer Demokraten, der Plan sei unausgegoren und bringe unnötige Belastungen für die umliegenden Grundstückseigentümer mit sich, fand zwar Beifall bei den anwesenden Landwirten, nicht aber die Zustimmung der Stadtverordnetenmehrheit. Die beschlossen auf Vorschlag des OB und seines grünen Beigeordneten Klipp, nicht nur das Kasernengelände, sondern auch den Aasberg zu entwickeln (obwohl das Land Brandenburg rechtliche Probleme schriftlich angemeldet hat).
Aber noch ist nicht aller Tage Abend, und Cornelius hat schon einen Plan B in der Tasche, wie er das Schlimmste verhüten kann.
Die Schenkung von 1 Mio. Euro pro Jahr an die SPSG (in Politikerdeutsch „Finanzielle Beteiligung der LHP am Unterhaltungsaufwand der SPSG“ genannt) fand mit 31 : 13 Stimmen bei einer Enthaltung eine deutliche Mehrheit. Jann Jakobs hatte sich vehement für die Schenkung und damit gegen den Parkeintritt ausgesprochen, und die Mehrheit aus LINKEN, SPD, CDU und GRÜNEN folgte ihm wieder einmal blind - oder soll man sagen „populistisch“, stehen doch vier Wahlen in den nächsten Monaten vor der Tür.
Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, war noch einmal „in die Bütt“ gegangen, wie er als Rheinländer in Anlehnung an die karnevalistischen Bräuche zu sagen pflegt, und hatte am Rednerpult versucht, den Stadtverordneten ins Gewissen zu reden. Unter Hinweis auf die erst vor wenigen Wochen verabschiedeten neuen Schulden in Höhe von 99 Mio. Euro sollten sie von der „Schenkung“ von 5 Mio. Euro Abstand nehmen; die Stadt könne es sich einfach nicht leisten. Das half ebenso wenig wie der Hinweise, dass der geplante Parkeintritt der SPSG nur für den Park Sanssouci in Potsdam gelten sollte und dass man alle anderen Parkanlagen, darunter die in Berlin-Charlottenburg oder in Rheinsberg, die baulich auch einen Parkeintritt zuließen, ausnehme. Das könne man durchaus als „unfreundlichen Akt“ gegenüber der LHP und ihren Potsdamerinnen und Potsdamern bezeichnen, so Schultheiß, ließe doch die Stiftung jegliches Entgegenkommen vermissen, wie man am Beispiel der Nowawiese, einer geplanten Sportanlage am Rande des Parks Babelsberg, sehen könne. Auch habe es die Stiftung relativ leicht, den Eintritt, den die Besucher in allen Schlössern entrichten müssten, angemessen zu erhöhen, um damit die fehlenden Millionen auszugleichen und die Lasten gleichmäßig auf viele Gemeinden zu verteilen – gleichwohl, die Stadtverordneten hatten sich wohl fraktionsintern festgelegt und waren guten Argumenten nicht mehr zugänglich So kam es wie es kommen musste: die Stadtverordneten beschlossen die Schenkung, obwohl eine finanzielle Deckung (Gegenfinanzierung) im Haushalt nicht vorhanden ist. Jetzt müsste eigentlich die Kommunalaufsicht die Zustimmung zum Haushalt 2013/2014 verweigern, aber da habe er, so Schultheiß intern, wenig Hoffnung, haben doch in der Kommunalaufsicht die gleichen Parteien wie in der SVV und im Stiftungsrat der SPSG das Sagen.
Die Mehrheiten in der SVV sind, wie sie sind, und das musste auch der OB wieder einmal schmerzlich erfahren. Bei der Diskussion um die Gegenfinanzierung stellte er deshalb die geplante Tourismusabgabe zurück, waren ihr doch nach den Protesten auf Initiative der Potsdamer Demokraten durch den Rückzug der SPD die Mehrheiten abhanden gekommen. Aber irgendwie findet er immer noch das Bürokratiemonster gut und kann sich nicht für die Bettensteuer erwärmen, obwohl die Stadtverordneten ihr mit 28 : 8 Stimmen bei 10 Enthaltungen deutlich mehr Sympathie entgegen brachten. Selbst die LINKEN stimmten nur vereinzelt gegen sie und enthielten sich überwiegend, obwohl ihr Fraktionsvorsitzender vorher noch in der Presse gesagt hatte, dass er die Tourismusabgabe präferiere.
Auf die Fortsetzung nach der Sommerpause darf man gespannt sein. Der Vertrag ist noch lange nicht unter Dach und Fach, gehen doch die Beschlüsse der Stadtverordneten und die Vorstellungen der SPSG weit auseinander: die einen wollen eine Festschreibung von 1 Mio. Euro für fünf Jahre, die anderen wissen heute schon, dass sie damit nicht auskommen und sprechen von Erhöhungen in zwei bzw. drei Jahren.
Auch bei der Änderung der Gesellschaftsverträge zum Klinikum Ernst von Bergmann sah die Mehrheit der Stadtverordneten keine Probleme, obwohl Schultheiß wieder einmal darauf hinwies, dass die LHP für die Krankenhausversorgung der Potsdamerinnen und Potsdamer die Verantwortung trage und nicht für die in Bad Belzig zuständig sei – dort gebe es einen Landkreis, der schon seit Jahren einen ausgeglichenen Haushalt habe und sich verstärkt in die Krankenhausversorgung in Bad Belzig einbringen könne. Mit dieser Änderung soll nämlich die Klink ermächtigt werden, auch in Bad Belzig Medizinische Versorgungszentren (früher Polikliniken) einzurichten, was Schultheiß letztlich als Geldverschwendung aus Potsdamer Sicht ansah.
Ein weiteres Highlight des Tages war das geplante Plattner-Museum im Palast Barberini, was natürlich von allen Fraktionen als neuer Touristen-Magnet begrüßt wird. Dafür war aber auch auf Wunsch des Investors ein Beschluss über die Änderung des B-Planes SAN-P 13 (Palast Barberini) erforderlich, mit dem ihm erlaubt wird, neben anderen Abweichungen von dem bisher vorgesehenen Verbindungsweg von dem Alten Markt zur Alten Fahrt Abstand zu nehmen. Sicherheitsfragen und Klimatisierung der Exponate machten das notwendig. Zugegeben, das Projekt hat eine derartige Bedeutung für die Potsdamer Innenstadt, dass man auch „Kröten schlucken“ muss, aber die Frage darf erlaubt sein, ob das wirklich notwendig ist. Schultheiß erinnerte in der Diskussion daran, dass das Palazzo Barberini in Rom, dem unser Palast nachgebaut ist, auch ein Museum beherbergt, nämlich die Galeria d´Arte Antica, und dass es dort sehr wohl eine Durchwegung gibt. Und auch unser Potsdamer Fluxus-Museum in der Schiffbauergasse habe einen Durchgang. Deshalb sollten OB und grüner Baubeigeordneter doch noch einmal mit dem Investor sprechen, ob die Schließung tatsächlich notwendig sei oder ob es nicht auch einen anderen Weg (im wahrsten Sinne des Wortes) geben könne.
Dass er dabei ausgerechnet von Frau Hüneke, DIE GRÜNEN, gemaßregelt wurde, die zwischen beiden Gebäuden einen deutlichen Unterschied sah, weil doch die Mauern in Rom dicker seien, erstaunte Schultheiß dann doch.
Die Fraktion DIE ANDERE setzte noch eins drauf: wenn der Weg entfalle, sei das Grundstück mehr wert, und diesen Mehrwert solle man vom Investor einfordern und an lokale Kunstvereine verteilen.
Das rief Jann Jakobs auf den Plan, der mit seiner Erwiderung bis zum Schluss der Debatte gewartet hatte. Er äußerte sich so vehement für Investor, Barberini und Museum und für alle gewünschten Änderungen des B-Planes zugunsten des Investors, wobei ihm der Baubeigeordnete sekundierte, dass es schon den Eindruck erweckte, dass beide in Anbetracht der zu investierenden Millionen dem alles unterordneten.
So mancher Stadtverordnete äußerte hinter vorgehaltener Hand, dass nach dem Reinfall mit dem Mercure-Hotel und der Kunsthalle nunmehr OB und Beigeordneter zurücktreten müssten, wenn auch das Barberini mit dem Plattner-Museum nicht zustande käme. Zu vieles sei auf eindringlichen Wunsch des OB im Vertrauen auf den Investor und in gutem Glauben an die Verwaltunsspitze von den Stadtverordneten abverlangt worden, dass ein Scheitern dem OB und seinem Beigeordneten Klipp Kopf und Kragen kosten würde.
Was sonst noch geschah:
Der B-Plan 129 „Nördlich der Feldmark“, bei dem 460 Studentenwohnungen geplant sind, wurde beschlossen.
Die neue Verwaltungsgebührensatzung, die keine Gebühren mehr bei Akteneinsicht vorsieht, wurde ebenfalls verabschiedet wie auch der B-Plan Potsdamer Chaussee in Groß Glienicke.
Mit dem Beschluss über die Werbesatzung können endlich die seit zwei Jahren verabschiedeten Erleichterungen für die Innenstadthändler in Kraft treten.
Auch der Antrag der Grünen, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die den ticketfreien ÖPNV „andenken“ soll, wurde verabschiedet. Der Änderungsantrag der Potsdamer Demokraten, das Wort „ergebnisoffen“ einzufügen, fand keine Mehrheit, so dass die Zielrichtung eindeutig ist und in die falsche Richtung geht. Ein ticketfreier ÖPNV, bei dem die durch Fahrscheinverkauf erzielten Einnahmen letztlich von den Potsdamer Steuerzahlern aufgebracht werden müssen (ca. 21 Mio. Euro), ist nicht finanzierbar. Außerdem stößt er an rechtliche und faktische Grenzen.
Ein anderer Antrag der GRÜNEN, mit dem 143.416 Euro (woher die GRÜNEN wohl diese Zahl haben?) außerplanmäßig für die Sportstättensanierung ausgegeben werden sollen, fand ebenfalls eine Mehrheit (20 : 19 Stimmen). Zwar weiß man nicht, woher das Geld kommen soll, aber so etwas ficht unsere Gutmenschen nicht an. 99 Mio. Euro neue Schulden wurden bereits vor wenigen Wochen mit dem neuen Haushalt beschlossen, 5 Mio. neue Schulden werden voraussichtlich für die o. a. „Schenkung“ an die SPSG aufgenommen werden müssen (bisher ohne Deckung) – da kommt es auf 143 T€ auch nicht mehr an!
Man könnte - wie schon so oft - verzweifeln!
Natürlich hat es in vielen Fällen lange und intensive Diskussionen gegeben, so dass die Tagesordnung nicht abgearbeitet werden konnte. Die Stadtverordneten treffen sich also am folgenden Montag, 17.00 Uhr, zum „Nachsitzen“ wieder.