30. 1. 2013 Diese SVV-Sitzung hatte es in sich!

Die Tagesordnung ließ es bereits vermuten – an diesem Tage waren viele wichtige Entscheidungen zu treffen. 
Das ging weit über den Neubau der Weißen Flotte und den Schutz des Lustgartens hinaus, über den später berichtet werden soll.

 

Der OB nahm seinen Bericht (TOP 4) u. a. zum Anlass, wieder einmal populistisch gegen das Opus Dei zu wettern. Das hat er neuerdings so an sich – wenn er ´mal betont energisch Position bezieht, ist es meistens die falsche.
Denn kurz zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, das das Versagen einer Privatschulgenehmigung unrechtmäßig sei. Das hätte der SPD/LINKE-geführten Landesregierung jeder zweitklassige Jurist vorher sagen können. Die Rechtslage ist dazu zu eindeutig. Trotzdem ging man durch alle Instanzen, und die Kosten trug wieder einmal der Steuerzahler. Aber, so markig der OB, man werde denen keine Unterstützung geben – wieder einmal rechtswidrig, denn das Land muss auch Privatschulen fördern! So kommentierte denn Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, diesen Teil der Rede des OB mit den Worten, dass dem OB offensichtlich jedes Rechtsstaatsverständnis fehle und dass er das Urteil zu akzeptieren habe.

Übrigens ging Schultheiß mit mehr oder minder deutlicher Verwunderung ans Rednerpult, hatte doch Dr. Scharfenberg, DIE LINKE, sich nicht zu Wort gemeldet. Sonst lässt der keine Rede des OB aus,  sich als Oppositionsführer darzustellen – aber heute? Das ließ ahnen, was insbesondere beim Glaspalast im Lustgarten noch kommen sollte.

Aber vorher beschlossen die Stadtverordneten  mit den Mehrheiten der LINKEN und der SPD noch die Kostenbeteiligung der Investoren bei der Baulandentwicklung, d. h. die Großinvestoren, die Siedlungen entwickeln, werden auch zu den Kosten für die Errichtung von Grundschulen und Kitas herangezogen. Das klingt erst einmal positiv und entlastet den städtischen Haushalt. Aber Schultheiß hatte schon bei früheren Beratungen in den Ausschüssen darauf hingewiesen, dass das auf die Mieten umgelegt wurde und damit für die Bestrebungen nach bezahlbarem Wohnraum kontraproduktiv sei – folgerichtig hatte der Finanzausschuss die Vorlage abgelehnt. Die Mehrheit in der SVV sah das anders und ging das Risiko ein.

Dann stand der Eckwertebeschluss auf der Tagesordnung, dessen wichtigster Teil der 17-Punkte-Plan des Kämmerers ist, mit dem mehr Einnahmen für den Haushalt generiert werden sollten. Offensichtlich hatte sich die Rathauskooperation in diesem Punkten noch nicht einigen können. Lediglich für die Erhöhung der Gebühren für die Stadt- und Landesbibliothek und für die Musikschule hatte sich eine Mehrheit in der Kooperation gefunden. Als der Punkt aufgerufen wurde, fragte folgerichtig Schultheiß, Potsdamer Demokraten, was man denn nun beschließen solle. Die Vorschläge zu den 17 Punkten müssten auf den Tisch und hier diskutiert werden. Davor hatten offensichtlich die Planer Angst, und so gab es keinen Beschluss zu der Vorlage, sondern die SVV nahm sie nur zur Kenntnis. Was sie im Detail zur Kenntnis nahm, bleibt im Dunkeln.

Sehr zur Freude der Potsdamer Demokraten wurde der Flächennutzungsplan nahezu einstimmig beschlossen. Nun haben Verwaltung und Bevölkerung endlich etwas, an das sie sich zu halten haben, und wissen, woran sie sind. Sofern Änderungen erforderlich sind, kann man diese im Einzelfall einbringen, aber das große Werk ist auf den  Weg gebracht worden. Es fehlt nur noch die Veröffentlichung im Amtsblatt, dann ist er in Kraft.

Auch die Lockerung der Sortimentsbeschränkung im Bahnhofs-Center wurde beschlossen. Wolfgang Cornelius, Potsdamer Demokraten, zugleich Vorsitzender der Innenstadt-Händler, nahm dies zum Anlass, coram publico daran zu erinnern, dass auch die Innenstadt-Händler diese Lockerung im Interesse des Bahnhofs-Centers und der Stadt Potsdam („Leere Geschäfte im Bahnhof machen einen negativen Eindruck für Potsdam“) mittragen.

 

Dann kam der TOP „Sanierungsgebiet Potsdamer Mitte – Änderung der Sanierungsziele“, hinter dem sich der Neubau der Weißen Flotte am Lustgarten verbarg. Auf die Argumente und Redebeiträge soll an dieser Stelle nicht mehr eingegangen werden, das wurde in den Tageszeitungen ausführlich dargestellt. Aber man soll wissen, wer wie abgestimmt hat. Deshalb haben die Potsdamer Demokraten eine namentliche Abstimmung gefordert und werden die Liste bei den nächsten Kommunalwahlen öffentlich machen.
Vorbehaltlich dieser Liste haben sich die LINKEN nahezu einstimmig (eine Enthaltung) , die SPD überwiegend, DIE ANDERE einstimmig  und die CDU überwiegend für den Antrag ausgesprochen; die GRÜNEN, das Bürgerbündnis und die Potsdamer Demokraten votierten einstimmig dagegen.

An dieser Stelle sei schon einmal auf den späteren Beschlussantrag im nicht-öffentlichen Teil verwiesen, mit dem der geplante Erbpachtvertrag von den Stadtverordneten abgesegnet werden sollte. Er wurde aufgerufen, und als es keine anderen Wortmeldungen gab, ging Schultheiß ans Mikrofon und brachte Argumente vor, warum die Vorlage nicht abstimmungsfähig sei.  (Da es sich um einen nicht-öffentlichen TOP handelte, muss das hier im Nebulösen bleiben.) Das hatte zum Ergebnis, dass der OB das Wort ergriff und sagte, er habe vergessen, diesen TOP von der Tagesordnung nehmen zu lassen. 
Wer´s glaubt, ...

Aber auch er weiß, dass nach der unseligen Abstimmung nur noch eines die Umsetzung hindern kann, nämlich die Urheberrechtsklage von Dietz-Joppien, jenen Architekten, die den Lustgarten zur Bundesgartenschau gestaltet haben. Da müssen wir Matthias Klipp für den Stil seines Schreibens an Dietz-Joppien vom 29. 1. 13 danken, der seinem nicht sonderlich ausgeprägten Feingefühl entspricht, und noch viel mehr dem OB, der sich öffentlich dazu bekannte, von Dietz-Joppien „verarscht“ worden zu sein. So geht man nicht mit Menschen um, von denen man etwas will!
Oder will der OB vielleicht gar nicht mehr, und alles war nur eine Farce?

 

Aber zuvor ging es im öffentlichen Teil weiter mit der Tagesordnung, und die einzelnen Punkte wurden beschlossen oder abgelehnt.
Erwähnenswert sind der Sozialtarif für die Energieversorgung, mit dem die LINKEN einen städtischen Zuschuss für Bedürftige bei der Energieversorgung einfordern wollten. Im Hauptausschuss hatte Schultheiß bei diesem TOP dem Dr. Scharfenberg und anderen Heuchelei vorgeworfen: Erst stimmten sie im Aufsichtsrat der EWP für die unglaubliche Erhöhung der Gas-, Strom- und Fernheizungstarife, dann forderten sie von der Stadt und damit von den Steuerzahlern einen Ausgleich. Hier muss man wissen, dass SPD und LINKE mit zwei Vertretern im Aufsichtsrat sitzen, während Grüne und FDP je einen Vertreter entsandt haben.

Der Antrag de ANDEREN auf Streichung Hindenburgs aus der Ehrenbürgerliste der LHP erhitzte noch einmal die Gemüter. Schultheiß hätte gern gerufen: „Man muss Ehrungen unter dem damaligen Zeitgeist sehen! Lasst doch ´mal die Kirche im Dorf!“, verkniff sich aber jede Wortmeldung. So kam dann der Kompromiss zustande, dass man Hindenburg zwar nicht strich, aber einen Vermerk macht, dass man ihn heute nicht wieder zum Ehrenbürger ernennen würde – was ihm vermutlich völlig egal ist.

Bleibt noch der Hinweis auf den Kauf des Krankenhauses in Bad Belzig. Dieser TOP wurde gegen 21.55 Uhr aufgerufen, als viele Stadtverordnete nach den langen und intensiven Diskussionen nach Hause wollten. Der OB macht noch einmal Druck und verlangte die sofortige Beschlussfassung. Schultheiß brachte erhebliche Bedenken vor und beantragte deshalb die Überweisung in den Finanzausschuss (was abgelehnt wurde). So kam es zu einer längeren Diskussion. Die ließ erkennen, dass auch andere Fraktionen erhebliche Probleme sahen – gleichwohl  wurde die Vorlage durchgepeitscht und dann mit der Stimmenmehrheit – wieder einmal der LINKEN und der SPD – beschlossen.

Bleibt zum Schluss die Frage, was eine Rathauskooperation eigentlich noch wert ist, wenn OB und SPD sich über die anderen Partner hinwegsetzen und sich der LINKEN andienen, wenn es ihnen ins politische Kalkül passt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Personalfragen zusammen mit der Kooperation gelöst, die Sachfragen aber mit den Linken beschlossen werden.
Ob B90/Grüne und CDU die Kraft haben auszutreten?