20. 12. 2012 Kulturausschuss im Nikolaisaal – keine weihnachtliche Stimmung oder es wird noch lange dauern, bis die Mauer in den Köpfen gefallen ist

Eigentlich hätte man in der Sitzung des Kulturausschusses so kurz vor Heiligabend mit einer Stimmung rechnen können, die dem christlichen Grundgedanken, wie er in der Bergpredigt[1] zu finden ist, nahe kommt – mitnichten. Die Akteure schlugen aufeinander ein wie weiland die gallischen Krieger um Asterix und Obelix auf die Römer.

Dabei fing alles so harmlos an. Frau Dr. Palent stellte den Nikolaisaal und die Musikfestspiele Sanssouci vor, nicht ohne auf die finanziellen Probleme hinzuweisen, da die Zuschüsse seit 2000 bzw. 2002 nicht mehr erhöht worden sind. Hier war sie sich mit Dr. Neufeldt, der später den Kunstverein vorstellte, ebenso einig wie mit Andras Hueck, der im weiteren Verlauf des Abends für das Poetenpack in die Bütt ging. Alle beklagten die finanzielle Ausstattung und baten indirekt ebenso höflich wie unmissverständlich um eine Erhöhung der Zuwendungen.
Hier sei angemerkt, dass Frau Dr. Palent mit dem von ihr erreichten Eigenfinanzierungsgrad mittlerweile zur Vorzeige-Kulturmanagerin in Potsdam geworden ist.

Dann aber ging es los! Rechtsanwalt Graalfs hatte aus Anlass des 60. Jahrestages des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 angeregt, eine Straße oder einen Platz in Anlehnung an Berlin danach zu benennen. Frau Dr. Lotz, B 90/Grüne, und Dr. Przibilski, SPD, wussten authentisch vom Panzer-Rollen der Roten Armee sowie von Schüssen auf Menschen zu berichten und unterstützen den Vorschlag. Nicht so die Verwaltung, die schriftlich unter Hinweis auf die gleichnamige Straße in Berlin „von erheblichen Problemen auf Grund der geographischen Nähe für Fuhrunternehmen, Rettungsdienste sowie für Navigationsgeräte“ sprach und den Vorschlag ablehnte (Unterschrift Baubeigeordneter Matthias Klipp). Das brachte Schultheiß, Potsdamer Demokraten, in Rage; er nannte diese Haltung ob der an den Haaren herbeigezogenen Gründe „mehr als peinlich“ und schäme sich für die LHP. Wie denn die Kulturverwaltung dazu stehe, wollte er von Frau Dr. Magdowski wissen – die zog sich unter Hinweis auf die Zuständigkeiten aus der Affaire.

An dieser Stelle glättete Frau Schöneich (Sachkundige Einwohnerin der B90/Grünen) wie schon des Öfteren in früheren Sitzungen die Wogen. In ihrer unnachahmlich ruhigen, sachlichen und ausgleichenden Art fuhr sie die erhitzten Gemüter wieder herunter – sie sollte an diesem Abend noch mehrfach dazu Gelegenheit haben.
Fairerweise muss man hier ergänzen, dass Matthias Klipp zwar den Straßennamen abgelehnt, aber gegen ein Denkmal keine Bedenken hatte. Nur wer soll es bezahlen und wo soll es aufgestellt werden? Oder war es nur eine Alternative, um die Sache auf die lange Bank zu schieben?
Bei Stimmenthaltung der Linken wurde beschlossen, den 17. Juni in den Namenspool für Straßen aufzunehmen und die Verwaltung zu beauftragen, einen Standort sowie die Finanzierung für ein Denkmal zu erarbeiten.

Schon bei einem der folgenden Tagesordnungspunkte, der Benennung einer Straße oder eines Platzes nach Otto Wiesner, prallten die unterschiedlichen Meinungen erneut aufeinander. Hatte doch die Gutachterin Dr. Elke Kimmel einige unübersehbare schwarze Punkte auf der angeblich weißen Weste des zu Ehrenden gefunden, die letztlich in Denunziationen von Mitbürgern gegenüber der Sowjetischen Militäradministration bzw. der Justiz gipfelten.

Hier hatten sich Dr. Scharfenberg und Frau Dr. Schröter, die Vertreter der LINKEN im Kulturausschuss, offensichtlich verrannt, und der sonst so sichere politische Instinkt ließ Scharfenberg diesmal im Stich. Schnell wurden noch Sympathiebekundungen für Otto Wiesner verteilt, aber es half alles nichts. Mit fünf Stimmen bei zwei Gegenstimmen (natürlich die Linken) wurde der Antrag der LINKEN und DER ANDEREN abgelehnt.
Die vorangegangenen persönlichen Angriffe auf Dr. Scharfenberg, vor allem von Till Meyer (SPD), gipfelten in der Bemerkung, es sei eine Schande, dass man über einen solchen Antrag noch abstimmen müsse; er hätte eigentlich auf Grund des Gutachtens zurückgezogen werden müssen.
Auch bei diesem Tagesorndungspunkt versuchte Frau Schöneich die Wogen zu glätten, indem sie daruf hinwies, dass der erste Teil des Wiesnerschen Lebens, nämlich der vor 1945, durch die Eintragung ins Goldene Buch der LHP geehrt worden sei.

Und wie selbstverständlich stand das „Archiv“ wieder auf der Tagesordnung. Der Bürgerwunsch für das Jahr 2012 ist zwar noch nicht abgearbeitet, und der gleichlautende für das Jahr 2013 wurde von der SVV zusammen mit allen anderen Anträgen aus dem Bürgerhaushalt in den Finanzausschuss überwiesen, gleichwohl hatte ihn irgendwer auf die Tagesordnung des Kulturausschusses gesetzt. Honi soit qui mal y pense[2]

Dr. Scharfenberg ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, sich und DIE LINKE als die einzig wahren Unterstützer des Archiv e. V. darzustellen. Aber es war doch zu durchsichtig. so dass sogar die Vertreter der SPD die Geduld verloren. Wusste Scharfenberg doch genauso wie Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, und die anderen Stadtverordneten aus dem Hauptausschuss, dass die Verwaltung mit dem Archiv e.V. in Verhandlungen steht und die Sache auf einem guten Weg ist.

Kay Kärsten, der wie immer zu diesem Thema Rederecht beantragt und erhalten hatte, machte auf das Problem aufmerksam, dass ab 1. 1. 2013 das Archiv für die Öffentlichkeit geschlossen werden müsse und deshalb nicht in der Lage sei, Gelder für die Brandschutzmaßnahmen und die erforderlichen Darlehen zu generieren.

Aber irgendwie war die Luft raus. Lag es an der späten Stunde, an den vielen Auseinandersetzungen vorher, die Kraft gekostet hatten, oder wollten die Kulturausschussmitglieder von diesem Thema einfach nur eine Zeitlang verschont werden?
Die Mitglieder unterstützten den Geschäftsordnungsantrag von Peter Schultheiß, den Tagesordnungspunkt zurückzustellen bis zum Abschluss der Gespräche zwischen Veraltung und Archiv e.V., und machten damit der neuerlichen Auseinandersetzung ein Ende.

Frau Schöneich, der ausgleichende ruhende Pol, hatte an diesem Abend viel zu tun.

 

 

 

 



[1] „Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, …“

[2] Ein Schelm, wer schlecht darüber denkt