12. 9. 2012 Hauptausschuss – Ein sichtlich genervter Oberbürgermeister zeigt Flagge
Was ist nur mit unserem OB los? Er ist mit deutlicher Mehrheit der Bevölkerung für eine zweite Amtszeit gewählt, steht für eine dritte aus Altersgründen nicht zur Verfügung und könnte alle politischen Probleme mit der Ruhe und Gelassenheit des Alters und der Reife angehen. Aber er wirkte im Hauptausschuss wieder einmal gestresst. Lag es an den dauernden Angriffen und Sticheleien der Vertreter der Opposition?
Zumindest in der Frage der Wagenhausburg zeigte er endlich einmal Flagge.
Wir erinnern uns: die Wagenhausburg ist seinerzeit an der Nedlitzer Straße gegenüber der Roten Kasernen auf einem Grundstück aufgetaucht, das für eine anderweitige Verwendung vorgesehen war. Deshalb wollte die LHP sie von dort entfernen; hier sprang die AWO ein, die gerade das von ihr gepachtete Grundstück an der Tornowstraße nicht brauchte und es deshalb der Wagenhausburg überließ. Ob und wie der Pachtvertrag dann später von der AWO zu den Bewohnern der Wagenhausburg überging, ist heute von hier aus nicht mehr zu klären.
Auf jeden Fall richtete sich das muntere Völkchen auf Hermannswerder kommod ein, ist doch auch ein hochwertiges Wassergrundstück eine tolle Bleibe. Man nannte sich „alternatives Wohnprojekt“, was wie bei anderen gleichlautenden Wohnformen letztlich bedeutet, dass man überwiegend von der „Stütze“ lebt und weit unterdurchschnittliche Wohnkosten (Miete und Nebenkosten) erwartet.
Nunmehr ist der Vertrag ausgelaufen, und nach Prüfung von insgesamt 77 neuen Unterbringungsmöglichkeiten kamen fünf in die engere Wahl. Natürlich kam für die Wagenhausburg-Bewohner keines infrage, denn einen Umzug mit Schulwechsel und dgl. scheut man allemal, und ein so tolles (und hochwertiges) Wassergrundstück war selbstverständlich auch nicht dabei.
Aber die LHP braucht dringend das Grundstück und natürlich das Geld, das bei einem Verkauf ins Stadtsäckel fließen wird. Also rang man sich endlich dazu durch, der Wagenhausburg noch eine Schonfrist von fünf Jahren einzuräumen (warum eigentlich?) und dann dem Spuk ein Ende zu machen.
Unseren linken Gutmenschen fiel das gar nicht leicht, aber nach einiger Kosmetik an der Beschlussvorlage stimmten auch SPD und B 90/Grüne zu, so dass die Vorlage bei fünf Gegenstimmen (LINKE, Die Andere) angenommen wurde.
Würde die Rathauskooperation beim Archiv doch genauso handeln!!! Die Kosten, nämlich 625.000 Euro für Brandschutzmaßnahmen und anschließend der Verkauf für einen symbolischen Euro an den Archiv e.V., sind fast gleich hoch. Kay Kärsten vom Archiv e.V. war übrigens als Zuhörer anwesend und verließ nach der Abstimmung den Raum mit sorgenvoller Miene.
Von den Reaktionen der Bewohner der Wagenhausburg soll hier nicht berichtet werden; das stand ausführlich in allen Tageszeitungen und hat ihnen keine Sympathie eingebracht.
Übrigens wurde der Antrag der Potsdamer Demokraten zum Kauf der 135 TLG-Wohnungen vom OB genüsslich zerpflückt. Nicht 11.000 Wohnungen (davon 135 in Potsdam) ständen zum Verkauf, sondern die ganze TLG, die der Bund „loswerden“ wolle. Nur komisch, dass er in seinem Schreiben an die Potsdamer Demokraten davon nichts gesagt hat. Aber so konnte er in der HA-Sitzung mit Herrschaftswissen glänzen. Nach Absprache mit den LINKEN werden die Potsdamer Demokraten den Antrag zurückziehen, wenn der OB in der SVV-Sitzung am 19. 9. 2012 zu Protokoll gibt, dass die ProPotsdam versuchen wird, beim Erwerber der TLG die Wohnungen zu einem vernünftigen Preis zu erstehen. Damit kann man einverstanden sein, denn der Schreck der Mieter der AWAG-Wohnungen, die plötzlich im Frühjahr beinahe keine Heizung und kein Wasser mehr bekommen hätten, saß doch zu tief, als dass man derartige Vermieter kampflos hinnehmen sollte.
Auch beim Versuch, eine zweijährige Veränderungssperre von LHP-Bediensteten zu Trägern, die vorher von ihnen mit Fördermitteln, Zuschüssen bzw. Aufträgen bedient worden waren, einzuführen, holten sich die Potsdamer Demokraten einen Nasenstüber. Hier konnten OB und Kämmerer unisono mit unüberhörbaren Triumph in der Stimme darauf verweisen, dass in einem solchen Fall nach dem Handelsgesetzbuch das halbe Gehalt während der Wartefrist gezahlt werden müsse, und das könne sich die LHP nicht leisten.
Schultheiß ließ deshalb den Antrag zurückstellen und wird nachprüfen, ob die Vorschriften des HGB auch für Bedienstete der Stadtverwaltung gelten.