23. 2. 2012 Kulturausschuss – Verkehrte Welt: Schultheiß für Graffiti, Bauer dagegen!
Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, hat sich schon immer gegen Graffiti und auch gegen legale Graffiti-Flächen ausgesprochen. Benjamin Bauer, der für die Fraktion Die Andere im Kulturausschuss sitzt, ist einer der Graffiti-Sprayer und deshalb ein vehementer Befürworter.
In der Sitzung des Kulturausschusses am 23. 2. 2012 wechselten beide – unter spitzbübischer Freude der Anwesenden – die Seiten. Was war passiert?
Die Verwaltung wollte für die Dauer von ca. 12 Monaten einen Teil der Wand des neuen Bildungsforums (ehem. Stadt- und Landesbibliothek) für Graffitikünstler freigeben. Bauer sah organisatorische Probleme, denn auch in der Graffiti-Szene gibt es nicht nur freundschaftliche Kontakte; auch dort sind Eifersüchteleien und sogar Verunstaltungen der Werke des anderen an der Tagesordnung.
Also schlug er vor, diese Wand von zeitgenössischen (wer sonst?) Künstlern bemalen zu lassen. Das rief Schultheiß auf den Plan, der Unheil witterte, indem nach 12 Monaten die Werke der „zeitgenössischen“ Künstler sorgfältig und unter erheblichem Kostenaufwand abgetragen und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden müssten. Also forderte er die Verwaltung auf, bei ihrem ursprünglichen Plan zu bleiben und Graffiti zu erlauben, was natürlich für die erwähnte Heiterkeit im Saale sorgte.
Das muss Benjamin Bauer so verärgert haben, dass er später am Schluss der Sitzung bei der Verabschiedung Schultheiß den Handschlag verweigerte. Der wird´s überleben.
Kulturpolitik besteht zu einem großen Teil aus finanzieller Förderung von Kulturträgern. Diejenigen, die etwas bekommen – vielleicht sogar mehr als sie insgeheim erhofft haben – werden sich freuen. Die anderen wird’s grämen.
Unter dem TOP 4 „Präsentation der Ergebnisse der Projektförderung“ wurde den Kulturausschuss-Mitgliedern von Herrn Büstrin, emeritierter Kulturpapst der Potsdamer Neuen Nachrichten und immer noch im Kulturgeschehen eine im positiven Sinne „graue Eminenz“, die Ergebnisse der Fachjury vorgestellt, die die eingereichten Förderanträge geprüft hat. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln in Höhe von 163.000 Euro wurden Projekte unterstützt, die insgesamt fast 1,4 Mio. Euro Kosten veranschlagt hatten.
Etwas vorschnell fragte Schultheiß nach den Projekten, für deren Förderung kein Geld mehr da war, wurde aber sehr sofort von Frau Schöneich in ihrer unnachahmlich ruhigen und sachlichen Art daran erinnert, wie gefährlich es wäre, wenn der Kulturausschuss sich um die Verteilung der Mittel kümmere. Denn die Sachkompetenz liege bei der Jury, und wenn die Politik sich einmische, wäre das einer sachgerechten Verteilung nicht dienlich.
Recht hat sie!
Schultheiß sorgte im weiteren Verlauf der Diskussion noch einmal für Heiterkeit im Raum, als er sich nach den Projekten des Frauenhauses erkundigte, die zweimal in der Förderung des Jahres 2012 vertreten sind. Denn seine kritische Haltung ist unter den Anwesenden bekannt, und so musste er noch einmal auf die früheren Projekte des Frauenhauses „Trommeln gegen Frust“ und „Hiphop für Gleichberechtigung“ zurückkommen, die vormals gefördert worden sind und heute für Gelächter im Raum sorgten.
Ernster wurde es beim TOP 3.2 „Beteiligung der LHP an einem Haus der Wissenschaft in der 4. Etage des Bildungsforums“. Diese Etage soll insgesamt von der Uni angemietet und zum Teil an ProWissen untervermietet werden. Die Uni zahlt an den KIS als Eigentümer des Gebäudes eine jährliche Miete von 160 T€, und die Stadt zahlt ProWissen für die Dauer von 10 Jahren einen jährlichen Zuschuss von 190 T€. Zugegeben: ProWissen ist ein anerkannter Verein, dessen Vereinszweck man unterstützen sollte, und so groß ist die Differenz zwischen den Mieteinnahmen (allerdings an den KIS) und der Unterstützungssumme nicht. Gleichwohl wollte sich Schultheiß aus Kostengründen bei der Abstimmung enthalten. Wenn man - wie die Potsdamer Demokraten - fordert, dass die Ausgaben des Jahres 2012 auf die des Jahres 2011 heruntergefahren werden, um einen ausgeglichenen Haushalt zu bekommen, kann man hier nicht zustimmen.
Doch da meldete sich Frau Engel-Fürstberger zu Wort. Ebenso authentisch wie engagiert, gleichermaßen charmant wie hart in der Sache beklagte sie die Verschuldung der Stadt, und irgendwo müsse man Schluss machen mit neuen Geldausgaben. Das gelte auch für die finanzielle Unterstützung von Projekten, Organisationen oder gemeinnützigen Vereinen, auch wenn das Ziel ein noch so lohnenswertes sei. Letztlich werden in diesem Jahr alle zusätzlichen Geldausgaben nur „auf Pump“ finanziert.
Das ging Schultheiß runter wie Öl. Deshalb wich er von seinem Vorsatz ab und votierte bei der anschließenden Abstimmung gegen das Projekt. Wie man sich denken kann als einziger, denn Kulturpolitiker lassen sich in ihrem Tatendrang nicht vom schnöden Mammon bremsen.