8. 2. 2012 Hauptausschuss Eine übervolle Tagesordnung - und ein ungewöhnlich langer Bericht

Irgendwie mutieren die Sitzungen des Hauptausschusses zu SVV-Sitzungen – das betrifft sowohl die Sitzungsdauer (am 8. 2. von 17.00 – 22.00 Uhr) als auch die Tatsache, dass man wichtige Unterlagen - sogar die aktuelle Tagesordnung - erst unmittelbar vor der Sitzung auf seinem Platz findet. 

Tapfer kämpfte man sich durchs Programm. Das gilt sowohl für den OB als Vorsitzenden des Hauptausschusses, den man insgeheim wegen seiner ruhigen, sachlichen und ausgleichenden Sitzungsleitung bewundern muss (auch wenn er einer anderen Partei angehört) als auch für die Stadtverordneten, die trotz der langen Tagesordnung munter diskutierten. Lediglich die Beigeordneten fielen weniger wegen ihrer Sachkompetenz als mehr wegen des ständigen Klingelns ihrer Handies auf.

Einer der ersten „Knackpunkte“ war der Haushalt, der sich allerdings nur auf den Teil des Geschäftsbereichs des OB bezog. Hier hat es einen Anstieg um ca. 300.000 Euro gegenüber dem Vorjahr gegeben, und da die Stadtverordneten mit ihrer Erhöhung des Haushalts (Fraktionsfinanzierung) daran nicht unwesentlich beteiligt waren, wurde die Sache recht schnell „durchgewinkt“.

Bei den Bürgervorschlägen zum Haushalt wurde als erstes über das Tierheim gesprochen, war dieser Wunsch doch mit deutlicher Mehrheit (ca. 50 Prozent mehr Stimmen als der Zweitplatzierte) auf Platz 1 gelandet. Der OB meinte, das sei in Arbeit, und insofern brauche man darüber nicht zu beschließen. Dem hielt Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, entgegen, dass man die Wünsche der Bürger ernst nehmen müsse. Man könne nicht erst durch die Propagierung des Bürgerhaushalts Erwartungen wecken und sich dann eines Beschlusses entziehen. Der OB lenkte ein, und so fassten die HA-Mitglieder bei zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen folgenden Beschluss (der so dem Finanzausschuss vorgelegt wird):
"In Potsdam wird unverzüglich ein Tierheim errichtet. Die Beratung und Beschlussfassung zu den bereits im Geschäftsgang befindlichen Drucksachen zu diesem Gegenstand erfolgt unter dieser Maßgabe."

Der Bürgerwunsch Nr. 2, die Sanierung der Schwimmhalle am Brauhausberg, wurde zurückgestellt, denn die Stadtverordneten wollten nicht mit einem Beschluss in dieser Richtung dem Votum der Potsdamer Bürger, das noch im März erwartet wird, vorgreifen.

Bei Platz 11 „Kulturstandort Archiv  erhalten“ prallten die Argumente noch einmal kräftig aufeinander. Frau Dr. Seemann, FB-Leiterin Kultur und Museen, die bereits im Kulturausschuss stolz von den 625 T€ gesprochen hatte, die für das Archiv bereit ständen, brachte die HA-Mitglieder auf den aktuellen Stand der Dinge. Auch in diesem Zusammenhang erinnerte Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, an den Haushalt, der eine solche Summe nicht zuließe, allerdings nicht ohne das Archiv dafür zu loben, dass es als einziges Jugendsoziozentrum ohne städtischen Zuschuss auskomme.
Gleichwohl, die Neuverschuldung des Haushalts über 12,5 Mill. Euro sowie die geplante Schuldenaufnahme des KIS über 51 Mio. Euro ließen eine derartige Summe nach Meinung von Schultheiß nicht zu, zumal die Gesamtsumme der Renovierung des Hauses in der Leipziger Straße noch deutlich mehr Geld verschlingen würde.
Da kam sogar der OB ins Grübeln, wie die Falten auf seiner Stirn zeigten. Und so wurde die Beschlussfassung auf den 29. 2. 2012 vertagt (wodurch auch der Finanzausschuss in seiner Sitzung am 22. 2. darüber nicht befinden kann).

Vertragt wurde auch der Bürgerwunsch auf Ankauf des Potsdamer Teils der Groß Glienicker Seehälfte. Nach Auskunft des OB wird der Bund den See nicht verkaufen, ohne vorher mit der LHP gesprochen zu haben, außerdem sei der Kaufpreis nicht bekannt. Auch hier intervenierten wieder der Ortsvorsteher von Groß Glienicke und Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, in der Richtung, dass der See in öffentlicher Hand bleiben müsse.

Beim Tagesordnungspunkt 11/SVV/1001 (Vergabe von Aufsichtsratsmandaten an Mitglieder der SVV) konnte es sich Schultheiß nicht verkneifen,  auf den Bericht der Transparenzkommission zu verweisen, den wohl wegen seines Umfangs keiner gelesen habe. Dort werde bereits darauf hingewiesen, dass ein Stadtverordneter nicht mehr als zwei Aufsichtsratsmandate haben solle (Stichwort Ämterhäufung), gleichwohl habe man in der vergangenen SVV-Sitzung jemanden in der Aufsichtsrat der ProPotsdam gewählt, der bereits auf fünf vergleichbaren Posten sitze. Da der Fraktionsvorsitzende dieses Stadtverordneten zu den Unterzeichnern des Antrags gehört, wird sich das wohl künftig ändern.

Zu vorgerückter Stunde wurde die „Leitlinie Grundstücksverkäufe“ diskutiert. Diese Leitlinie lässt zu, dass „bei Erreichung von in öffentlichem Interesse liegenden Zielen“ von einer Ausschreibung bei der beabsichtigten Veräußerung städtischer Grundstücke  abgesehen werden kann. Mit beredten Worten wusste die Sozialbeigeordnete auf Nachfrage von Schultheiß, Potsdamer Demokraten, zu erklären, warum das beim Tierschutzverein etwas ganz anderes sei.

Zum Schluss schlugen die Wellen noch einmal hoch, als über die ordnungsbehördliche Verordnung zu den Ladenöffnungszeiten diskutiert wurde. Zur Erinnerung: Das entsprechende Landesgesetz lässt sechs Sonntage pro Jahr zu, an denen die Geschäfte geöffnet werden dürfen. Der OB mit seiner Wirtschaftsförderung wollte nun die Verordnung so fassen, dass die sechs Sonntage nicht einheitlich für ganz Potsdam gelten, sondern dass man das stadteilgerecht unterschiedlich regelt.
Hier hatten Herr Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg sowie Herr Pawlik von Ver.di Rederecht erhalten, wobei Herr Busch-Petersen vehement für die stadtteil-unterschiedliche Regelung eintrat, wahrend der Ver.di-Vertreter eine stadtweite Regelung präferierte.
Wolfgang Cornelius, Potsdamer Demokraten, war ebenfalls anwesend, wurden doch die Interessen der AG Innenstadt, also des Zusammenschlusses der Potsdamer Innenstadt-Händler, heftig tangiert.  Er hatte vorsorglich den Geschäftsstraßenmanager Kickinger mitgebracht und für ihn Rederecht beantragt.

Das war allerdings nicht mehr nötig, da Herr Busch-Petersen erschöpfend darstellte, warum die Stadtteil-Regelung richtig sei und auch nicht im Widerspruch zum Landesgesetz über die Ladenöffnungszeiten oder zu einem zitierten Urteil des OVG Sachsen stände.
Schultheiß ließ sich diese Vorlage nicht entgehen und nannte noch einmal die Unterschiede zwischen Weberfest in Babelsberg und Tulpenfest im Holl. Viertel, die in ihren Gebieten eine Ladenöffnung zuließen, aber in dem jeweils anderen Bereich unsinnig wären.   Außerdem machte er deutlich, dass auch bei der Stadtteilregelung kein Geschäft an mehr als sechs Sonntagen geöffnet habe, Insoweit sei den Forderungen der Gewerkschaften auf Erholung der Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen auch dabei Rechnung getragen.

Im Zuge der anhaltenden Diskussion brachte die SPD (!) einen Änderungsvorschlag ein, der die stadtweite Regelung zum Inhalt hatte. Hier konnte Schultheiß noch einmal darauf verweisen, dass dieser Vorschlag nicht mit den Händler abgestimmt sei und auch inhaltlich Fehler habe, da er das Stern-Center und die Bahnhofspassagen nicht berücksichtige. In der Abstimmung wurde der Änderungsantrag bei Stimmengleichheit abgewiesen. Die anschließende Abstimmung des OB-Vorschlags erzielte deutliche  Mehrheit.
Hier muss angefügt werden, dass sogar die LINKE teilweise für den OB-Vorschlag stimmte. Warum die Vertreterin des BügerBündnisses dagegen stimmte, wird wohl ein Bankwitz´sches Geheimnis bleiben.