7. 5. 2014 Aus der SVV
Je näher der Wahltermin heranrückt, desto weniger werden die Entscheidungen der Fraktionen vorhersehbar – im Gegenteil, auf der Suche nach potenziellen Wählern werfen manche Parteien sogar ihre Grundsätze über Bord.
Oder wie anders ist es zu erklären, dass die LINKE gemeinsam mit dem Unternehmer Kirsch, einem unbestrittenen Klassenfeind der Ewig-Gestrigen, gemeinsame Sache machte und ihm zu einem 2,5 Mio. Euro Gewinn verhalf. Dabei wird der kurz vorher beschlossene Flächennutzungsplan, der auf dem Kirsch-Areal Wald vorsah, missachtet, und die angebliche Miethöhenbegrenzung, auf die sich die Linken wohl zur Beruhigung ihres eigenen Gewissens bezogen, war nicht nur rechtswidrig, sondern auch völlig unrealistisch. Die Abstimmung wurde namentlich durchgeführt, und man wird wohl im Wahlkampf den Linken dieses Verhalten noch öfter um die Ohren schlagen.
Mit 24 : 22 : 1 Stimmen wurde der Plan abgesegnet, und Lutz Boede, der Fraktionsgeschäftsführer der ANDEREN, meinte, es sei noch nicht aller Tage Abend und man werde nach der Kommunalwahl dieses Ergebnis kippen. Andere fragten sich mehr oder minder offen, wie hoch denn die Parteispende von Kirsch gewesen sei. Dem hielt Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, entgegen, dass die LINKE sicher auf eine Kirsch´sche Spende nicht angewiesen sei, habe sie doch zu vielen mittelständischen Unternehmen gute Beziehungen.
Dass bei dieser Abstimmung die CDU und die FDP mit der LINKEN gemeinsame Sache machten, sei nur am Rande erwähnt.
Diese Kehrtwende der LINKEN gilt wohl auch für das RAW-Gelände in der Nähe des Hauptbahnhofs und der Semmelhaack´schen Häuser an der Friedrich-Engels-Straße. Die LINKE wollte dort noch schnell – wiederum entgegen dem Einzelhandelskonzept - großflächigen Einzelhandel unterbringen und hatte schon eine Hockglanzbroschüre verteilt. Wer die hergestellt hatte und in wessen Auftrag die LINKEN den Antrag gestellt hatten, war nicht zu ermitteln – glücklicherweise sind sie gescheitert, denn Semmelhaack als Investor hat zusammen mit der Wirtschaftsförderung der LHP deutlich gemacht, dass er nunmehr eine Gewerbeansiedlung präferiere.
Vordergründig war auch der Antrag der LINKEN zu einer Bürgerbefragung ins Sachen MERCURE-Hotel. Wohlwissend, dass ein Workshop zum Lustgarten und zum Mercure am 9. 5. 2014 beginnt, mit dem Fachleute und interessiert Bürger in die weitere Planung des Lustgarten eingebunden werden sollen, wollten sie schon einmal einen „Pflock“ einsetzen und den Workshop in eine bestimmte Richtung lenken. Glücklicherweise sind sie damit gescheitert.
Das Einzelhandelskonzept wurde ebenfalls verabschiedet. Wolfgang Cornelius, Potsdamer Demokraten, hatte noch versucht, die Entscheidung in die nächste Stadtverordnetenversammlung (nach der Neuwahl) zu verschieben, müssen doch deren Stadtverordnete fünf Jahre damit leben – vergebens, bei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen wurde das Konzept angenommen.
Übrigens sei an dieser Stelle daran erinnert, das die CDU sich weder in die monatelangen Diskussionen eingebracht noch eine Stellungnahme zum Entwurf des Konzepts abgegeben hatte. Der Einzelhandel ist wohl – entgegen allen vollmundigen Erklärungen – nicht deren Klientel.
Auch der Antrag der Potsdamer Demokraten, auf dem Alten Markt eine Stele, Info-Box o. ä. zu errichten, mit der der Potsdamerinnen und Potsdamer gedacht werden soll, die das Landtagsschloss gegen den ausdrücklichen Willen der damaligen politischen Mehrheit durchgesetzt haben, fand eine Mehrheit. Zwar musste noch in der vorbereitenden Sitzung des Kulturausschusses der Name „Günther Jauch“ auf Antrag der SPD mit ausdrücklicher Billigung der Bündnisgrünen aus dem Beschlusstext herausgenommen werden – ein Vorgang, für den sich Peter Schultheiß so schämte, dass er der anschließenden Abschlussfeier des Kulturausschusses fernblieb. Aber auch ohne diese direkte Erwähnung blieb der Name in der Begründung, und wenn der Potsdamerinnen und Potsdamer gedacht wird, ist Herr Jauch als Potsdamer Einwohner selbstverständlich mit dabei.
Peinlich ist die Sache trotzdem.
Der B-Plan zum Brauhausberg wurde ebenfalls verabschiedet. Wie nicht anders zu erwarten, hatte die LINKE noch einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem das „Minsk“ erhalten werden sollte, aber auch dieser Änderungsantrag scheiterte.
Die neuen Anträge wurden ausführlich diskutiert, gab es doch keine Möglichkeit, sie in die Ausschüsse zu überweisen, denn mit Ausnahme des Hauptausschusses und des Jugendhilfeausschusses tagen diese nicht mehr, sondern müssen erst von der neuen SVV bestellt und besetzt werden. Insofern war es kein Wunder, dass die Tagesordnung nicht abgearbeitet werden konnte, sondern dass die Stadtverordneten am kommenden Montag „nachsitzen“ müssen.
Gleich zu Beginn fand der Antrag der Potsdamer Demokraten, die Stromanschlüsse auf dem Luisenplatz wieder benutzbar zu machen, keine Mehrheit. Schultheiß hatte noch das Konzert „Rhythm against Rassism“ ins Feld geführt, bei dem ein Riesen-Notstromaggregat mit entsprechendem Lärm (und vermutlich auch mit entsprechenden Kosten) das Manko ausgleichen musste, und auf die Veranstaltung der Behindertenverbände hingewiesen, die genau aus diesem Grund von Luisenplatz weggegangen sind – es half nichts, der Baubeigeordnete Klipp sprach von „versenkbaren Energiepollern“, die von Anfang an nicht benutzbar gewesen seien und die man auch nicht wieder herstellen könne, und die Mehrheit der Stadtverordneten schloss sich dem an.
Als ob man das nicht reparieren könne !
Ein Highlight der Sitzung war die erneute (dritte) Diskussion zum Staudenhof. Zur Erinnerung: In einem Bums-Beschluss (vgl. Bericht über die SVV-Sitzung vom 7. 12. 2011) hatten die Stadtverordneten mit Mehrheit einem Antrag der LINKEN und ihres Unterstützer Klipp stattgeben, entgegen dem Leitbautenkonzept und dem Masterplan Potsdamer Mitte das Gebäude Am Alten Markt 10 stehen zu lassen. Erst mit Mühe war dieser unselige Beschluss später wieder aufgehoben worden. Aber Klipp und die LINKEN ließen nicht locker. und mit einem Gutachten wollten sie beweisen, dass der wirtschaftliche Nachteil für die ProPotsdam nicht hinnehmbar wäre.
Aber sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht: In einer glänzenden Rede fasste Saskia Hüneke noch einmal die Gründe zusammen, die den Erhalt des Staudenhofes unmöglich machten, und Peter Schultheiß konnte noch eins draufsetzen, indem er auf handwerkliche Mängel des Gutachtens (Fehlende Kosten der Erhaltungsmaßnahmen sowie Miethöhe nach einer Renovierung) aufmerksam machte.
In der namentlichen Abstimmung sprachen sich 24 Stadtverordnete auch weiterhin für den Abriss des Staudenhofes im Jahr 2022 aus, 15 votierten dagegen, und Frau Bankwitz (BürgerBündnis) enthielt sich.
Übrigens nahm Schultheiß die Diskussion zum Anlass, den Baubeigeordneten zu fragen, warum er das Gutachten – wie in der Presse zu lesen – schon vor geraumer Zeit zwar den Linken zur Verfügung gestellt, es den anderen Fraktionen aber vorenthalten habe. Es ist erst am 5. 5. 14 per eMail versandt worden, Schultheiß hat es sogar erst am 6. 5. während der Sitzung des Ältestenrates erhalten.
Wie sehr auch diese Sitzung vom Kommunalwahlkampf überschattet wurde, zeigte der erneute Antrag der LINKEN zu einem kostenlosen Schulessen. Es müsste ungefähr das fünfte Mal gewesen sein, dass dieser Antrag diskutiert wurde.
Dabei ist die Lage heute schon so, dass Kinder nur anzukreuzen brauchen, dass sie sich das Essen nicht leisten können, und schon werden sie vom Bezahlen ohne weitere Nachprüfung freigestellt.
Ein weiterer Antrag ist deshalb ebenso populistisch wie entbehrlich. Die LINKEN lassen in diesen Wahlkampfzeiten eben nichts aus – mit Ausnahme der Frage, wer das eigentlich bezahlen soll. Die Bildungsbeigeordnete Iris Magdowski sprach von mehr als einer Million Euro, die die Umsetzung des Antrages kosten würde, aber das ist den Linken völlig gleichgültig.
Die Mehrheit der Stadtverordneten sah das anders und lehnte den Antrag ab.
In die Planung einer Regio-Bahn, mit der das Umland straßenbahnmäßig über die Bundesbahngleise erschlossen werden soll, kommt Bewegung. Die Stadtverordneten beschlossen einen Prüfauftrag an den Oberbürgermeister, der die Sache zur Freude der Potsdamer Demokraten voranbringen soll.