6. 11. 2013 Stadtverordnetenversammlung - eine Sternstunde der Kommunalpolitik
Die Tagesordnung versprach einen spannenden Abend, und das sollte sich bewahrheiten. Zwar waren die Abstimmungsergebnisse in wichtigen Bereichen nicht im Sinne der Potsdamer Demokraten – gleichwohl wurden an diesem Tage von den Vertretern der Fraktionen inhaltsreiche und sachliche Reden gehalten, in denen die Positionen und vielfach die Veränderung der politischen Positionen den anderen Stadtverordneten sowie der Öffentlichkeit und ihren Vertretern nahe gebracht wurden.
Nach den Formalien (Tagesordnung usw.) ging es los mit der Großen Anfrage der Potsdamer Demokraten zur Situation der Senioren in der LHP. Die Antworten der Sozialbeigeordneten Elona Müller-Preinesberger, die vorher schriftlich ausgereicht worden waren, waren unbefriedigend und ließen viele Fragen offen. Gleichwohl verkniff sich Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, die Möglichkeit einer globalen Abrechnung mit der Ignoranz der Verwaltung, die die Probleme nicht wahrhaben will oder keine Möglichkeit sieht, sie zu mindern oder gar zu beheben. In Anbetracht der anderen wichtigen Themen, die zur Zeit die öffentliche Diskussion beherrschen, wäre vieles untergegangen. So streifte er nur zwei Fragen, nämlich die der Grundsicherung im Alter sowie der Wartezeit auf Termine bei bestimmten Fachärzten, und überwies die Große Anfrage in den Sozialausschuss, um dort noch einmal im kleineren Kreis sich ausführlich damit beschäftigen zu können.
Die nachfolgende Rede des OB zur „Lage der Nation“, ein Betonpunkt in jeder Stadtverordnetenversammlung, führte zur ersten großen Diskussionsrunde. Hatte doch der OB zum Schulentwicklungsplan und den daraus resultierenden notwendigen Schulneubauten mit ca. 160 Mio. Euro neuer Kreditaufnahme Stellung genommen. Das rief viele Vertreter der Fraktionen auf den Plan, die ob der neuen Schulden im übertragenen Sinne die Hände über dem Kopf zusammen schlugen. Ganz offensichtlich haben die ständigen Mahnungen von Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, Früchte getragen, denn der lässt keine Gelegenheit aus, die Stadtverordneten und die Verwaltung vor neuen Schulden zu warnen. Seine Geißelung der 100 Mio. Euro neuer Schulden, die mit dem Doppelhaushalt 2013/14 beschlossen worden sind, sind noch in guter Erinnerung.
Umso schlimmer, dass nunmehr offensichtlich weitere 160 Mio. Euro hinzukommen. Natürlich war das ein Anlass für Schultheiß, dem OB und seiner SPD-geführten Verwaltung während der Debatte ins Gewissen zu reden. Denn diese Schulden sind ganz oder zumindest zu einem großen Teil vermeidbar, wenn private Schulträger gesucht werden. Warum soll nicht, so Schultheiß, das evangelische Gymnasium Herrmannswerder, das einen hervorragenden Ruf genießt, ein weitere Gymnasium im Potsdamer Norden betreiben oder das Bistum Berlin eine weitere Grundschule neben der Marienschule? Auch nicht kirchlich gebundene Träger stehen „Gewehr bei Fuß“. Voraussetzung wäre aber, so die Schultheiß´sche Mahnung an die Verwaltung, dass sie von ihren Vorbehalten gegen private Schulträger abrückte.
Zu einem anderen Punkt in der Rede des OB, nämlich zum Holländischen Viertel und dem Tulpenfest, nahm Wolfgang Cornelius, Potsdamer Demokraten, Stellung. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der AG Innenstadt, also dem Verband der Innenstadthändler, hatte er in der Vergangenheit bewiesen, dass er bei der Ausrichtung derartiger Feste die notwendiger Erfahrung sowie eine glückliche Hand hatte. Insofern bot er dem OB (und damit den Handlern im Holländischen Viertel) die Hilfe der Potsdamer Demokraten an, was dieser erfreut annahm.
Dann kam aber bereits die erste Nagelprobe, nämlich die Gegenfinanzierung der Schenkung von 5 Mio. Euro an die SPSG in Form einer Tourismusabgabe oder Bettensteuer. Hier sei noch einmal daran erinnert, dass die Potsdamer Demokraten diejenigen waren, die von Anfang an gegen die Tourismusabgabe Stellung bezogen hatten.
Also ließ sich Peter Schultheiß, Potsdamer Demokraten, die Gelegenheit nicht entgehen, als erster das Wort zu ergreifen und noch einmal auf die Ungereimtheiten und handwerklichen Fehler der Tourismusabgabe hinzuweisen. Bei der Bettensteuer war er vorsichtiger, denn sie ist die einzige Lösungsmöglichkeit, die die Potsdamerinnen und Potsdamer nicht belastet, da sie letztlich von den Übernachtungsgästen zu entrichten ist. Da SPD und LINKE in Vorgesprächen (und später auch während der Diskussion) deutlich zu erkennen gegeben haben, dass sie den Parkeintritt mit aller Macht ablehnten, hielt Schultheiß dies das geringere Übel.
Aber er sagte auch, dass die LHP von der SPSG schlecht behandelt würde, da nur der Park in Potsdam für die Generierung weiterer Gelder herangezogen würde, und dass es besser wäre, den Eintritt für alle Schlösser um einen moderaten Betrag zu erhöhen, da das dann auf viele Schultern von Rheinsberg über Potsdam und Berlin bis Königs Wusterhausen verteilt würde.
Mike Schubert, SPD, appellierte noch einmal an die Vertreter der Rathauskooperation, nach dem Beschluss über die Schenkung an die SPSG am 3. 6. 13 nunmehr auch die Gegenfinanzierung zu verabschieden, wobei es schien, als ob ihm die Wahl zwischen beiden Möglichkeiten letztlich egal war.
Ihm folgten dann die Vertreter der anderen Fraktionen, die natürlich ihre Sicht der Dinge, vor allem aber ihr Umfallen bei bestimmten Absprachen, zwar mit wohlgesetzten Worten darlegten, aber letztlich keinen überzeugen konnten.
So kam es, wie es kommend musste:
Die Tourismusabgabe fiel wie schon im Hauptausschuss krachend durch und erhielt nur acht Stimmen (OB, DIE ANDERE und Teile der LINKEN) – alle anderen votierten dagegen. Schultheiß und Cornelius konnten und wollten ihre Freude darüber nicht unterdrücken, hatte sich doch der monatelange Kampf dagegen letztlich gelohnt.
Überraschend war nur, dass auch die Bettensteuer keine Mehrheit erhielt. Sie wurde mit 23 : 17 Stimmen abgelehnt.
OB und SPD waren sichtlich verärgert und schoben den Schwarzen Peter der CDU zu, die erst zwei Tage vorher ihren Kooperationspartnern mitgeteilt hatte, dass sie sich anders entschieden hätte.
Es ist einfach nicht nachvollziehbar! Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit auch in der Politik sehen anders aus!
Dann kam es zum Neubau der Weißen Flotte im Lustgarten, der wegen anderer TOP und der Pause erst nach 19.00 Uhr aufgerufen wurde. Bereits bei der Tagesordnung war darum gebeten worden, diesen TOP vorzuziehen, um die anwesenden Besucher der Initiative „Rettet den Lustgarten“ und ihren Redner Prof. Kulka (Architekt des Stadtschlosses), der trotz eines Bandscheibenvorfalls die weite Reise von Dresden nach Potsdam auf sich genommen hatte, nicht zu lange warten zu lassen. Dieser Wunsch wurde mit Stimmenmehrheit abgelehnt – das ließ Böses ahnen.
So kam es auch! Kulka, OB, Klipp, Hüneke und Wolfgang Cornelius beschworen die Stadtverordneten vergebens. Eine Stimmenmehrheit aus LINKEN, CDU und DIE ANDERE votierte mit 26 : 23 Stimmen für den Bau der Weißen Flotte am Fuße des Mercure-Hotels.
Die CDU spielte wieder einmal eine unrühmliche Rolle – und das nicht nur, weil Heinzel und Anger ihren eigenen Antrag konterkarierten, indem sie auch bei der anschließenden Abstimmung über den Standort am Bahndamm ebenfalls dafür – und damit gegen den Standort am Fuße des Mercure - stimmten.
Wie tief die Verärgerung oder die Enttäuschung gesessen haben muss, lässt sich daran ermessen, dass anschließend der OB - zwar noch gequält lächelnd - den Saal verließ und nicht wieder gesehen wurde. Da tat er einem schon wieder leid, obwohl er mit vielen vorschnellen und populistischen Entscheidungen sich selbst in diese missliche Lage gebracht hatte.
Lichtblicke gab es beim TOP „Neuer Markt Plantage“. Dieser wurde nicht beschlossen, sondern mit einem Änderungsantrag der SPD erneut in die Ausschüsse überwiesen. Dort kann noch einmal in Ruhe über die weitere Nutzung diskutiert werden.
Auch der TOP „Rückführung der Attikafiguren“ wurde positiv beschieden. Während es noch im Kulturausschuss ein Votum der LINKEN gegen die Rückführung gegeben hatte, stimmten diesmal alle Stadtverordneten bei zwei Stimmenthaltungen dafür.
Eine Niederlage mussten noch die Potsdamer Demokraten einstecken. Sie hatten einen Beschlussantrag eingebracht, mit dem eine der beiden Buslinien 605 oder 606 auch nach dem Ende der Bauarbeiten in der Geschwister-Scholl-Straße durch die Forststraße geführt werden sollte, um der Montessori-Schule, dem Studentenwohnheim, aber vor allem den älteren Bewohnern in diesem Bereich eine bessere Anbindung an die Innenstadt zu ermöglichen. Leider hatte der KOUL-Ausschuss dagegen votiert, und so ging Schultheiß noch einmal ans Rednerpult und versuchte mit eindringlichen Worten die Stadtverordneten zu überzeugen – vergebens, die Mehrheit (SPD, CDU, Teile der LINKEN und andere) sprach sich dagegen aus.
Weiter kam man nicht. Die ausführlichen Diskussionen hatten zuviel Zeit in Anspruch genommen, und so müssen die Stadtverordneten im kommenden Montag um 17.00 Uhr „nachsitzen“.