16. 11. 2022 Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat geurteilt

Den Berlinerinnen und Berlinern steht bereits im nächsten Jahr der nächste Urnengang bevor: Heute urteilte der Berliner Verfassungsgerichtshof, dass die Wahl zum Abgeordnetenhaus und die immer zeitgleich stattfindenden Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen ungültig sind und komplett wiederholt werden müssen.
Zur Erinnerung: Am 26. September 2021 wurden in Zeiten der Corona-Pandemie in Berlin zugleich der Bundestag, das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt. Offensichtlich war das zuviel, und der ebenfalls abzustimmende Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne sowie der am selben Tage stattfindende Berlin-Marathon taten ein übriges – mit dieser Ballung waren wohl offensichtlich gleichermaßen die politische Führung und die Wahlhelfer vor Ort überfordert.
 
Dazu zählten nach Feststellung des Gerichts falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen und lange Schlangen mit teils stundenlangem Warten vor den Wahllokalen. In etwa der Hälfte der 2256 Wahllokale stimmten Menschen noch nach der offiziellen Schließungszeit um 18:00 Uhr ab. Vor diesem Hintergrund gingen 35 Einsprüche gegen die Wahl beim Verfassungsgericht ein.
 
So kam das Gericht gar nicht umhin, wegen "schwerer systemischer Mängel" schon bei der Vorbereitung der Wahl sowie einer "Vielzahl schwerer Wahlfehler" die gesamte Wahl für ungültig zu erklären und eine Wiederholung anzuordnen. „Nur so kann eine Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen gewährleistet werden, die den rechtlichen Anforderungen an demokratische Wahlen entspricht."
 
Für die Neuwahl haben die Richter eine Frist von 90 Tagen gesetzt. Der Berliner Wahlleiter hat den allerletzten Sonntag, den 12. Februar 2023, zum Tag der Wahlwiederholung erklärt.
Anders bei der gleichzeitig stattgefundenen Bundestagswahl. Hier hatten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages selbst zu entscheiden und kamen – o Wunder über Wunder – zu dem Beschluss, dass nicht im gesamten Bundesland Berlin, sondern nur in 327 von 2256 Wahlbezirken neu gewählt werden müsse. Da dürften die genervten Wähler kaum eine Chance haben, die Wahlentscheidung zu korrigieren.
 
Auch hier werden die Richter, diesmal des Bundesverfassungsgerichts, noch ein Wörtchen mitzureden haben. Doch in der Vergangenheit haben die Karlsruher Richter sich bisher noch nie mit besonderer Eile hervorgetan, und ihre Entscheidung dürfte erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 zu erwarten sein.
Zurück zur Berliner Wahl des Abgeordnetenhauses: Die Juristen haben nachgedacht. Da es sich nicht um eine Neuwahl, sondern um eine Wiederholungswahl handelt, endet die Wahlperiode wie geplant im Herbst 2026. Und alle Entscheidungen des Abgeordnetenhauses bleiben in Kraft, auch wenn an ihnen nicht korrekt gewählte „Volksvertreter“ mitgewirkt haben. Dabei hat sicherlich das Pragmatische das Verfassungsrecht in die zweite Reihe verwiesen.
 
Wie allerdings die für die Ungereimtheiten bei der Wahl 2021 verantwortliche Koalition aus Linken, Grünen und Sozialdemokraten die neue Wahl gewinnen will, steht in den Sternen, liegt doch zum ersten Mal nach langen Jahren die CDU bei den Wahlumfragen an der Spitze.