5. 8. 2021 Das Bundesverfassungsgericht entscheidet gegen die Bürger
Sie erinnern sich: ARD, ZDF und Deutschlandfunk wollten eine Erhöhung des Rundfunkbeitrages um 0,86 Cent auf 18,36 €. Das Land Sachsen-Anhalt stellte sich quer und die Erhöhung war vom Tisch, mussten doch alle Bundesländer dem zustimmen. Und der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) war gezwungen, ernsthaft über Sparmaßnahmen, z. B. bei den vielen Sendern und den exorbitanten Gehältern vor allem seiner Chefs, nachzudenken. Verdienen doch die meisten in ihrem beamtenähnlichen Status mehr als die Bundeskanzlerin!
Pustekuchen, das Bundesverfassungsgericht fiel den Bürgern in den Rücken und setzte die geplante Erhöhung vorläufig in Kraft (Az. 1 BvR 2756/20 u.a.). Zwar ist dieses Gericht vor allem dafür da, die Grundrechte der Bürger gegen den Staat zu verteidigen (und Streitereien zwischen den Verfassungsorganen zu klären). Aber im vorliegenden Fall entschied es zu Gunsten von Anstalten des öffentlichen Rechts, nämlich den Rundfunkanstalten. Das soll hier besonders betont werden, denn auch Anstalten sind neben Behörden und Stiftungen Teil der Staatsgewalt. Anders ausgedrückt: Das BVerfG hat nicht die Rechte der Bürger gegen den Staats geschützt, sondern die staatliche Verwaltung gegen den Bürger.
Und es setzte sich über die souveräne Entscheidung eines Bundeslandes hinweg. Sachsen-Anhalt habe die im Grundgesetz gesicherte Rundfunkfreiheit verletzt, weil es dem vereinbarten Staatsvertrag nicht zugestimmt habe, urteilte es. Wie man die Rundfunkfreiheit verletzt, wenn man einer Gebührenerhöhung nicht zustimmt, die ja nicht zum finanziellen Zusammenbruch des ÖRR führt, sondern auch auf andere Art und Weise aufgefangen werden kann, wissen vermutlich nur die Richter in den roten Roben.
Dass sie zugleich die Einstimmigkeit aufgehoben haben, indem sie urteilten, ein Land könne sich nicht gegen alle anderen stellten, gibt zu denken, denn damit ist eine Einstimmigkeit künftig nicht mehr haltbar, weder beim staatlichen Rundfunk noch in allen andern Fällen. Ob man sich dieser Tragweite bewusst war?
Leider werden wir kaum eine öffentliche Diskussion erwarten können, denn welche Partei-Vorderen wollen es sich in diesem Wahljahr mit den Gerichten und vor allem mit den Öffentlich-Rechtlichen verderben?
Klar, dass die Rundfunkanstalten in den Nachrichtensendungen auf allen Wellen und in allen Fernseh-Kanälen jubeln! Wenn man die Konsequenzen bedenkt, sollte man es lieber mit Schillers Wallenstein halten: „Das war kein Heldenstück, Octavio.“