18. 12. 2019 Klimanotstand – Klimanotstandsgesetze – Ermächtigungsgesetz
Im Milieu der Klimaschützer und Umweltaktivisten wird man den Eindruck nicht los, man wünsche sich eine Art Ermächtigungsgesetz für die gute Sache. Auch wenn historische Vergleiche unpassend sind, besorgniserregend sind dieser Aktivismus und Aktionismus allemal.
Es gab Zeiten, da waren Notstandsgesetze sogar in Deutschland denkbar unpopulär. Zugegeben: Das ist lange her, genau vor 51 Jahren. Im Frühjahr 1968 waren es nicht nur linke Studenten, die gegen die Notstandsgesetze der großen Koalition unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger protestierten. Auch die FDP, weite Teile des liberalen Bürgertums und die Gewerkschaften wendeten sich gegen die geplante Verankerung möglicher Notverordnungen im Grundgesetz.
Inzwischen hat sich der Zeitgeist deutlich gedreht. Von demokratischer Wachsamkeit ist wenig zu spüren, sieht man einmal von den üblichen Floskeln bei einschlägigen Sonntagsreden ab. Die Ausrufung des Notstandes und Forderungen nach Notstandsgesetzen treffen heutzutage nicht nur auf keinen Widerstand. Nein, man überbietet sich vielmehr im Erklären von Klima-Notständen in deutschen Kommunen und beklagt deren unzureichende Wirkung. Man braucht kein Zyniker zu sein, um den Eindruck zu haben, insbesondere im Milieu der Klimaschützer und Umweltaktivisten hätte einige am liebsten eine Art Ermächtigungsgesetz – diesmal natürlich für die gute Sache, weil für ihre Sache.
Los ging alles im Mai dieses Jahres. Da rief die Stadt Konstanz als erste deutsche Gemeinde den Klimanotstand aus. Man beschloss Maßnahmen zur klimaneutralen Versorgung von Neubauten, zur Gebäudesanierung und ein Mobilitätsmanagement für die Gesamtstadt zu erarbeiten. Das hätte man natürlich auch ohne Klimanotstand haben können, aber ein bisschen Notstand macht sich einfach besser und klingt nach Aktivismus.
Nur wenige Tage später folgten Heidelberg, Ludwigslust und Kiel dem Beispiel der Stadt am Bodensee, und auch Potsdam musste dabei sein. Inzwischen haben über 60 Gemeinden den Klimanotstand ausgerufen, darunter Weltmetropolen wie Tönisvorst, Marl und Brachttal. Die bisher letzte Stadt, die sich in diese erbauliche Liste eingereiht hat, war Berlin am vergangenen Dienstag. In der Hauptstadt begnügte man sich immerhin mit der semantisch etwas abgerüsteten Klimanotlage, auch wenn nicht alle Medien das Kleingedruckte zur Kenntnis nahmen. Den üblichen Verdächtigen ging das selbstverständlich nicht weit genug. Ein sich „Volksinitiative Klimanotstand“ nennender Verein bemängelte sofort, bei dem Berliner Beschluss handele es sich lediglich um ein „Klimanotständchen“ und forderte stattdessen „entschlossenes Handeln“.
Das wollte man wohl auch in Brüssel zeigen, weshalb das Europäische Parlament am 28. 11. 2019 ebenfaklls den Klimanotstand ausrief. Allerdings weckt ein Parlament, das eine Notstandssituation beschließt, hierzulande ungute Erinnerungen. Wie beruhigend, dass der ARD-Faktencheck umgehend Brüssel bescheinigte, keine Parallele zu den Notverordnungen 1933 geschaffen zu haben.
Dies zu behaupten, wäre auch dummes Zeug. Natürlich sind Hitlers Ermächtigungsgesetz und die Klimanotstände, die allerorts proklamiert werden, nicht ernsthaft vergleichbar. Dennoch muss die Leichtfertigkeit beunruhigen, mit der Notstände behauptet werden. Denn Notstände rechtfertigen Notmaßnahmen. Und Notmaßnahmen brauchen nicht demokratische legitimiert zu werden. Schließlich ist Not etwas dringliches, das keinen Aufschub duldet. Etwa bei einem Erdbeben oder einem Hochwasser.
Wer jedoch Notstände ausruft, wo kein akuter Notstand ist, missbraucht parlamentarische Gepflogenheiten der Diskussion. Nicht um demokratische Debatten geht es den Notständlern, sondern darum, symbolisch politischen und emotionalen Druck aufzubauen. Doch das ist weder die Aufgabe von Parlamenten noch von Stadtverordnetenversammlungen. Mehr noch: Indem leichtfertig Notstände ausgerufen werden, bezeugen Parlamente ihren Zweifel am Parlamentarismus. Das ist ärgerlich und besorgniserregend.
Entlarvend ist, dass diese Notstandsseligkeit von politischen Gruppierungen ausgeht, die über Jahrzehnte – und mit guten Gründen – gegen vergleichbare Verordnungen gekämpft haben. Man denke nur an den Mai 1968 in der BRD alt. Nun zeigt sich, was bestenfalls zu vermuten war: Zumindest den Vorgängern der Linken und Grünen ging es nie wirklich um die Demokratie. Im Grunde hatte man auch gar nichts gegen Notstandgesetze. Man wollte allerdings selber über sie verfügen.
Claudia Roth fordert einen Klimapass und Carola Rackete fordert zu zivilem Ungehorsam auf. Leider darf man befürchten, dass wir keinen Klimanotstand haben, sondern einen Demokratienotstand, der bald unumkehrbar sein wird.
Mit diesen schaumgekrönten Weltrettungswellen wird dem Anliegen, sachlich und realistisch Umweltschutz zu praktizieren, nur Schaden zugefügt. Das in den vergangenen Jahrzehnten bei vielen Bürgern aufgebaute Umweltbewusstsein spielt durch dieses apokalyptische Gehabe den Zweiflern in die Hände.
Was sich da Bahn bricht, ist der Totalitarismus der Besorgten,, die im Namen „künftiger Generationen“ auftreten, um sich selbst zu ermächtigen, Gebote und Verbote auszusprechen. Die haben besonders dann eine Chance auf Akzeptanz, wenn sie als Prophylaxe daherkommen. Dann soricht man ja nicht pro Domo, sondern für unsere Kinder und Enkelkinder - Mehr Schmu (Schwindel) geht nicht.
Zutiefst beunruhigend ist vor allem die Indoktrinierung von Kindern bereits in den Schulen, die besorgte Eltern erleben.
Wird der Notstand erst einmal allgemein akzeptiert, sind Notstandsgesetze nicht mehr weit. Es gilt, wachsam zu bleiben und nicht den Mund zu halten.