28. 1. 2018 Gedenken an die Befreiung des KZ Auschwitz
Ob in allen evangelischen Kirchen in Potsdam der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee am 27. 1. 1945 bedacht wurde, ist unbekannt.
In der Friedenskirche jedenfalls ließ Prädikant Klaus Büstrin die Gemeinde im Gottesdienst aufstehen und gedachte der durch die Nazis ermordeten ca. 6.000.000 Juden – eine kooperative Unrechtstat des damaligen deutschen Staates, die durch nichts zu rechtfertigen ist.
Ob man sich als ein nach 1945 geborener Deutscher dessen schämen muss, sei dahingestellt, hatten doch diese Menschen die „Gnade der späten Geburt!“. Aber es waren sicher mehr von unseren Eltern und Großeltern (und auch Europäer anderer Nationalität) an diesem unglaublichen Unrecht beteiligt, als man heute wahrhaben will. Und es waren nicht nur Bundesbürger, sondern auch Menschen, die nach dem Kriege in der DDR ihren Wohnsitz hatten.
Angefangen hat diese Unrecht kurz nach Hitlers Machtergreifung, und schon 1933 entstanden die ersten KZ, zuerst allerdings für politische Gegner gedacht. Ein erster Höhepunkt der Judenverfolgung war die Reichskristallnacht. Der Mord an einem deutschen Diplomaten diente als willkommener Vorwand für die reichsweiten Novemberpogrome 1938, bei denen etwa 400 Personen ermordet und über 1400 Synagogen sowie andere Versammlungsräume und Friedhöfe der jüdischen Mitbürger zerstört wurden.
Die "Endlösung der Judenfrage" wurde am 20. 1. 1942 bei der sogenannten Wannseekonferenz im Gästehaus der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, Am Großen Wannsee 56 – 58 in Berlin, beschlossen, zu der unter dem harmlosen Namen „Besprechung mit anschließendem Frühstück“ eingeladen worden war.
Ein Protokoll dieser Besprechung ist mehr oder minder durch Zufall nach dem Kriege wieder aufgetaucht, und so wurden alle Teilnehmer namentlich bekannt.
Zur Erinnerung sind die Teilnehmer unten aufgeführt.
Was den heutige Leser aber besonders erbittert, ist die Tatsache, dass einige von ihnen, die die planmäßige Vernichtung der Juden beschlossen hatten und damit die Verantwortung für den Massenmord trugen, mit geringen Strafen davonkamen – eine Schande für die deutsche Justiz, die erst viel zu spät bei den „kleinen“ SS-Schergen - zu Recht - relativ hart durchgriff, bei den großen Planern aber kläglich versagte. Man erinnere sich nur an die Rente der Witwe des Vorsitzenden des Volksgerichtshofes Roland Freisler, der besoldungsmäßig einem Bundesrichter gleichgestellt worden war.
Mindestens dafür müssen wir Nachkriegs-Deutsche uns tatsächlich schämen!
Teilnehmer der Wannseekonferenz:
(Quelle Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz)
Was genau Reinhard Heydrich (1904-1942) mit der Staatssekretärsbesprechung am 20. Januar 1942 bezweckte, ist bis heute unklar. Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes war vom geschassten Marineoffizier zum zweiten Mann der SS aufgestiegen. Die Propaganda inszenierte ihn als den "perfekten Nationalsozialisten". Zusätzlich übernahm er die Funktion des stellvertretenden Reichsprotektors für Böhmen und Mähren, de facto war er unumschränkter Herrscher.
Der ranghöchste Teilnehmer der Wannseekonferenz war Alfred Meyer (1891-1945), Staatssekretär im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, Gauleiter der NSDAP in Westfalen und Reichsstatthalter in Schaumburg-Lippe. Der promovierte Nationalökonom gehörte auch dem Reichstag an. In den seiner Behörde unterstellten eroberten Gebieten der Sowjetunion wüteten die Einsatzgruppen der SS mit Wissen und Unterstützung Meyers. Als er im April 1945 vor den vorrückenden britischen Truppen nicht mehr flüchten konnte, beging Meyer Selbstmord.
Als Rechtsanwalt in der Weimarer Republik hatte Roland Freisler (1893-1945) nur mäßigen Erfolg gehabt. Doch weil er schon 1925 der NSDAP beigetreten war, stieg er nach der Machtübernahme der Nazis schnell zum Staatssekretär im Justizministerium auf. Ein halbes Jahr nach der Wannseekonferenz beförderte Hitler ihn zum Präsidenten des Volksgerichtshofes. Dort wurde er mit seiner rücksichtslosen Verhandlungsführung und seinen überharten Urteilen zum Prototyp des grausamen NS-Juristen. Am 3. Februar 1945 kam Roland Freisler bei einem Luftangriff auf Berlin ums Leben.
Als Staatssekretär im Reichsministerium des Inneren war Wilhelm Stuckart (1902-1953) für Heydrich vielleicht der wichtigste Teilnehmer der Besprechung. Denn Judenpolitik war eigentlich Sache des Innenministeriums. Der promovierte Jurist war schon 1922 der NSDAP beigetreten und machte im Dritten Reich Karriere, die ihn in höchste Beamtenpositionen brachte. Nach 1945 wurde er zu einer geringen Strafe verurteilt, die bereits verbüßt war. 1952 wurde er gegen eine Geldbuße von 500 Mark entnazifiziert, obwohl er Mitglied einer Neonazi-Partei war. Stuckart starb bei einem Autounfall.
Erst nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler trat Erich Neumann (1892-1951) der NSDAP bei. Bis 1933 hatte der Beamte eine solide, aber unauffällige Karriere gemacht. Im Dritten Reich stieg er zum Staatssekretär des Beauftragten für den Vierjahresplan auf, eine eigens für Göring geschaffene Superbehörde für Wirtschaftspolitik. Ein halbes Jahr nach der Wannseekonferenz wechselte Neumann auf einen Direktorenposten in der Wirtschaft. Nach 1945 saß er drei Jahre in Haft, bis er aus Gesundheitsgründen entlassen wurde und bald darauf starb.
Allen Ernstes behauptete Gerhard Klopfer (1905-1987) später, er habe geglaubt, bei der Wannseekonferenz ginge es um die "Umsiedlung" von Juden, nicht aber um ihre massenhafte Vernichtung. Dabei war der Sohn eines schlesischen Landbeamten ein hochintelligenter Parteibürokrat, der 1933 in die NSDAP eintrat und rasch zum Ministerialdirektor in der Parteikanzlei aufstieg; in der benachbart gelegenen Reichskanzlei amtierte er ab Ende 1942 sogar als Staatssekretär. 1945 tauchte er unter, wurde im Jahr darauf interniert und saß drei Jahre in Haft. Doch ein Verfahren gegen ihn kam nie zustande. Klopfer starb 1987 in Ulm.
Obwohl nicht promoviert, arbeitete Friedrich Kritzinger (1890-1947) schon in der Weimarer Republik erfolgreich in verschiedenen Ministerien. 1938 wechselte er als Ministerialdirektor in die Reichskanzlei und beteiligte sich hier an vielen antisemitischen Maßnahmen. Ob er Anfang 1942 vom laufenden Massenmord an den europäischen Juden wusste, ist unklar; Kritzinger selbst bestritt das stets, das Gegenteil ist nicht zu beweisen. Jedoch sprach Heydrich in der Wannseekonferenz Klartext, und Kritzinger ließ sich danach zum Staatssekretär der Reichskanzlei befördern. Nach 1945 war er mehrfach interniert, wurde jedoch aus Gesundheitsgründen entlassen und starb, bevor ein Verfahren gegen ihn geplant werden konnte.
Als Deutsch-Russe, der bei Odessa geboren wurde und neben Deutsch, Englisch und Französisch auch Russisch und Ukrainisch sprach, war Georg Leibbrandt (1899-1982) einer der wichtigsten außenpolitischen Fachleute der NSDAP. Als Abteilungsleiter im Ministerium für die besetzten Ostgebiete nahm der promovierte Historiker an der Wannseekonferenz teil, obwohl er formal nicht eingeladen war. Nur zwei Tage später lud er zur ersten Nachfolgekonferenz auf Arbeitsebene ein, die er leitete. 1943 meldete sich Leibbrandt freiwillig zum Fronteinsatz bei der Kriegsmarine. Von 1945 bis 1949 war er interniert, zu einem weiteren Verfahren gegen ihn kam es bis zu seinem Tod nicht.
Als Chef eines der Hauptämter der SS stand Otto Hofmann (1896-1982) formal auf einer Ebene mit dem acht Jahre jüngeren Heydrich. Sein Rasse- und Siedlungshauptamt war zuständig für die rücksichtslose "Volkstumspolitik" im Dritten Reich und den besetzten Gebieten. Bereits seit dem Frühjahr 1923 war er Mitglied der NSDAP, seit 1931 Mitglied der SS. 1948 wurde er zu 25 Jahren Haft verurteilt, doch nach nur insgesamt neun Jahren 1954 entlassen. Fortan lebte er als Angestellter in Württemberg.
Der engste Mitarbeiter von Heydrich war Gestapo-Chef Heinrich Müller (1900-1945). Die beiden lernten sich kennen, als Heydrich 1933 der Polizei in Bayern vorstand, ein Jahr später nahm er ihn mit nach Berlin an die Spitze der preußischen Polizei, die Müller ab 1936 selbst leitete. Als Erfüllungsgehilfe seines Chefs war der gelernte Polizist an den meisten Verbrechen des Dritten Reiches führend beteiligt, obwohl er erst 1938 formal der NSDAP beitrat. Im Zweiten Weltkrieg weitete er seine Macht über das gesamte besetzte Europa aus. Müller, einer der Haupttäter des Holocaust, verschwand gegen Ende der Eroberung Berlins durch die Rote Armee spurlos. Wahrscheinlich kam er unerkannt ums Leben oder beging Selbstmord.
Schon als Jugendlicher war Karl-Eberhard Schöngarth (1903-1946) ein rechtsextremer Aktivist. 1922 trat der NSDAP bei und wurde nach dem Hitler-Putsch wegen Hochverrats angeklagt, aber amnestiert. Danach interessierte ihn die Partei aber erst einmal nicht mehr: Schöngarth studierte Jura und promovierte. Erst 1933 trat er erneut der NSDAP bei und wechselte 1935 zur Gestapo. Er leitete mehrere regionale Gestapo-Leitstellen, wurde Anfang 1941 Befehlshaber der Sicherheitspolizei im besetzten Zentralpolen und leitete nach dem Überfall auf die Sowjetunion einige Monate lang eine spezielle Einsatzgruppe, die zehntausende Juden ermordete. An der Wannseekonferenz nahm er als Praktiker des Massenmordes teil. Weil 1945 zu wenig gerichtsfeste Beweise für seine Verbrechen in Polen vorlagen, klagte ein britisches Militärgericht Schöngarth wegen der Hinrichtung eines abgeschossenen alliierten Fliegers an und verurteilte ihn zum Tode.
Als Protokollführer und "Judenreferent" der Gestapo war Adolf Eichmann (1906-1962) derjenige Teilnehmer der Wannseekonferenz, der am direktesten an der Organisation des Holocaust beteiligt war. Er war effizienter Bürokrat, überzeugter Nazi und glühender Antisemit, auch wenn er sich später als "kleines Rädchen" darzustellen versuchte. Persönlich leitete er 1944 die Deportation von fast einer halben Million ungarischer Juden ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. 1945 tauchte er unter und floh nach Argentinien. Hier entführte ihn der Mossad 1960. Der anschließende Prozess stand am Beginn der weltweiten Beschäftigung mit den NS-Verbrechen, Eichmann wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet, als einziger NS-Täter in Israel.