15. 6. 2015 Public Viewing oder Eine Lanze für die Deutsche Sprache
Die Fußballwelt- und Europameisterschaften haben es an den Tag gebracht: Wer nicht ins Ausland zu den Spielen gefahren ist, nutzte die zahlreichen Public-Viewing-Möglichkeiten, die geschäftstüchtige Gastronomen oder Event-Manager zuhauf anboten. Natürlich geht man in der Gemeinschaft mit anderen ganz anders auf, und eine harte Gartenlokal-Bank ist dann allemal besser als das weiche Sofa zuhause beim Lonely-Viewing[1]. Aber hätte man für die Openair-Übertragungen nicht auch deutsche Bezeichnungen finden können?
Das Internet hat seinen Teil dazu beigetragen, dass die deutsche Sprache immer mehr im Alltagsleben verdrängt wird. Wer der englischen Sprache nicht mächtig ist oder sogar noch das Fach-Chinesisch eines Bill Gates und seiner Entwickler trotz Schulenglisch-Kenntnissen nicht versteht, ist spätestens dann aufgeschmissen, wenn sein Computer, Laptop, Netbook, Notebook oder Handy streikt.
Aber auch im Alltagsleben sind Werbe-Freaks dabei, die deutsche Sprache durch anglo-ähnliche Wortschöpfungen zu verdrängen. Beispiel: Friendly User nehmen ihr Handy, halten es beim Ein- und Ausstieg vor den Touchpoint und bezahlen so ihr Ticket.
Nein, das ist nicht die Beschreibung des Fahrscheinkaufs in der Londoner U-Bahn! Das gilt für den Fahrscheinverkauf an den Haltestellen des ViP und der Bahn AG in Potsdam! Und weil man gerade dabei war, hat man daneben gleich noch die Sightseeing-Points angebracht.
Man könnte verzweifeln! In dem Land von Luther, Goethe, Schiller, Kleist, Einstein, Böll, Heym und anderen Dichtern und Denkern muss die deutsche Sprache ums Überleben kämpfen. Da gibt es Outdoor-Kleidung, mit der man zum Come-Together beim nächsten Event geht, und Indoor-Spielplätze. Da werden Schüler mit „Be hard, drink soft!“ zur Drogenabstinenz aufgerufen, und unsere gute alte Post, die sich zu T-Home, T-Mobile und T-Com gemausert hat, ist mit ihrem vermeintlich englischen Tarif-Sprach-Dschungel schon lange nicht mehr zu verstehen. Die Nürnberger Agentur für Arbeit lädt in ihre Job-Center oder Service-Points zur Quick-Vermittlung, und wenn das nicht klappt, kann man immer noch ein Date machen, das hoffentlich nicht zum Flop wird. Den Beweis, dass die Job-Center nach ihrer Umbenennung eine bessere Arbeit machen, sind sie uns allerdings bisher schuldig geblieben.
Wer weiß schon, dass Begriffe wie Handy, Talkmaster oder Dressman in der englischen Sprache überhaupt nicht vorkommen? Und den „Friendly User“ (siehe oben) als Probanden habe ich in anglophonen Ländern ebenso wenig gehört wie den „Touchpoint“, also die Stelle, an die man das Funktelefon heranhalten soll.
Wir werden von Marketing-Strategen, Computer-Freaks, Möchtegern-Kosmopoliten und anderen Menschen mit einer angeberischen Sucht nach Weltläufigkeit in Wortschöpfungen wie chatten, relaxen, brainstormen getrieben, und unsere öffentliche Verwaltung sowie die kommunalen Eigenbetriebe machen mit bzw. sind gar die Initiatoren dieses „irgendwie-englischen Schnöselkauderwelschs“ (taz).
Wie schon gesagt: Man könnte verzweifeln!
Deshalb sind wir Potsdamer Demokraten Mitunterzeichner eines Beschlussantrages an die Stadtverordnetenversammlung, (15/SVV/0312), mit dem fremdsprachliche Begriffe in de Verwaltung und in den städtischen Gesellschaften dort vermieden werden sollen, wo es einen entsprechenden Begriff in der deutschen Sprache gibt. Übrigens dürfen sich andere Fraktionen dabei an die eigene Nase fassen, wenn es beispielsweise um „Fairtrade“ geht, dem sich die LHP anschließen soll.