Gedanken zur Haushaltspolitik - Potsdams kleiner Haushalt ist ein Teil der großen Staatsschuldenkrise

„Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden. Die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrott gehen will.“ Das sagte vor mehr als 2000 Jahren kein Geringerer als Marcus Tullius CICERO, geb. 3. 1. 106 v. Chr.,  gest. 7. 12. 43 v. Chr. Was damals als Mahnung an das römische Weltreich gedacht war, ist heute in der Europäischen Union, in Deutschland und auch in Potsdam gleichermaßen aktuell.

Ein verantwortlicher Finanzpolitiker hat es heutzutage schwer: keine Grundsteinlegungen, keine Premieren, keine Jubelfeiern. Nichts, mit dem er glänzend vor seinen Wählern stehen könnte. Er ist eher ein Spielverderber, weil er den Wünschen  der Bürger, der anderen Stadtverordneten (auch in der eigenen Fraktion) und gegebenenfalls auch dem Oberbürgermeister aus finanziellen Gründen oft einen Riegel vorschieben muss. Wer hätte nicht gern in jedem Stadtviertel einen Sportplatz, einen Jugendclub oder eine Kita? Wenn nur das liebe Geld nicht wäre!

Die in Deutschland existierende Staatsschuldenkrise ist darauf zurückzuführen,  dass auch bei uns seit Jahrzehnten, genau genommen seit dem Beginn der 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, in jedem Jahr mehr Geld ausgegeben wird, als der Staat einnimmt. Trotz jährlich steigender Steuereinnahmen stiegen die Ausgaben prozentual noch mehr, so dass wir heute einen Schuldenberg von ca. 2,0 Billionen Euro vor uns herschieben. Damit die unvorstellbare Summe deutlich wird, folgt hier noch einmal die Zahl in Ziffern:

2.000.000.000.000 Euro

Dabei sei aus dem Mathe-Unterricht daran erinnert, dass jede Milliarde 1.000 Millionen und dass jede Billion 1.000 Milliarden hat.

Noch ein Vergleich zur Verdeutlichung der Summe: Wenn wir rechnerisch den Bundeshaushalt mit 350 Mrd. Euro ansetzen, bedeutet das, dass wir Schulden in Höhe von fast sechs Bundeshaushalts-Jahren haben.
Wie wir von diesem Schuldenberg wieder herunterkommen wollen, steht in den Sternen. Ein probates Mittel ist, wie die Vergangenheit in Deutschland schmerzlich gezeigt hat, eine Inflation. Aber die trifft - und das sollten sich die Politiker sogenannter sozialer Parteien hinter die Ohren schreiben - vor allem die „Kleinen Leute“.
Wir sollten jedoch nicht nur mit den Fingern auf die Bundes- und Landespolitiker zeigen, Auch wir in Potsdam tragen unseren Teil zur Schuldenkrise bei. 

Mit jedem neuen Haushalt machen wir in unserer 175.000-Seelen-Gemeinde in jedem Jahr mehr Schulden und nähern uns rasant der ersten Milliarde. Entschuldigend wird das auf den Bevölkerungszuwachs geschoben, der mehr Schulen, mehr Kitas, mehr Straßen und andere Maßnahmen der Infrastruktur  erfordert. Also werden wieder einmal mehr Schulden gemacht, die aber nicht mehr dem städtischen Haushalt belasten. Dafür hat man den Kommunalen Immobilien Service, kurz KIS genannt, gegründet. der Darlehen in nahezu unbegrenzter Höhe aufnehmen darf, mit denen dann die städtischen Baumaßnahmen bezahlt werden. Dafür zahlen dann die Schulen, Kitas usw. Miete, mit denen der Kapitaldienst (die Zinsen und die Tilgung der Darlehen) geleistet wird. Und nun raten Sie ´mal, wer die Mieten bezahlt - richtig, es ist die öffentliche Hand, also die Stadt Potsdam, und damit wir alle als Steuerzahler. 

Das sind die legalen Tricks, derer sich auch unser Kämmerer bedient: Man kann die Schulden der Landeshauptstadt Potsdam auf die kommunalen Eigenbetriebe und auf die städtischen Gesellschaften „delegieren“. Der Deal aus dem Jahre 2000, bei dem die LHP Immobilien an die Gewoba (heute ProPotsdam) verkauft hat, ist ein beredtes Beispiel und füllte ein Defizit von 40 Mio. Euro in der Stadtkasse.

Wenn man den Schulden der LHP die Schulden des Eigenbetriebs KIS sowie die Schulden der städtischen Gesellschaften hinzurechnet, beträgt die Gesamtverschuldung mittlerweise- wie oben bereits erwähnt -  nahezu eine Milliarde Euro.

Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?

Eine Möglichkeit ist, dass wir alle auf der Bundes-, Landes- und Kommunalebene keine Haushaltsdisziplin üben, weitermachen wie bisher und auf eine hoffentlich kontrollierte Inflation warten. Mit annähernd mehr als zwei Prozent der jährlichen Geldentwertung hat sie schon einen besorgniserregenden Stand erreicht. Und wenn sie erst einmal bei zehn Prozent pro Jahr ist, dann haben wir – theoretisch - in zehn Jahren die Schulden abgebaut.

Es soll allerdings niemand glauben, dass die Einkommen der Rentner, Sozialleistungs- oder Transferempfänger bzw. der Lohnabhängigen ebenfalls um derartige Prozentsätze steigen, so dass unter dem Strich die Realeinkommen weiter sinken werden. Und die Spargroschen, die bei den Banken und Sparkassen geparkt sind, sind ebenfalls  betroffen.

Siehe oben: jede Inflation, auch eine kontrollierte,  geht zu Lasten der „kleinen Leute“.

Damit ist das Nichts-Tun keine Lösung!

Bleibt nur die zweite Möglichkeit: Wir müssen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene für einen ausgeglichenen Haushalt sorgen! Und in unserer Stadt haben wir es selbst in der Hand!
So etwas geschieht – und das ist eine Binsenweisheit - durch Senkung der Ausgaben und/oder durch Erhöhung der Einnahmen.

Dazu haben alle Entscheidungsträger ihren Beitrag zu leisten.

Fangen wir beim Kämmerer an. Er ist verantwortlich für einen ausgeglichenen Haushalt und muss seinen Beigeordneten-Kollegen und auch dem Oberbürgermeister gegenüber „Kante zeigen“, wenn deren Forderungen nicht vereinbar mit solider Haushaltsführung sind. Im Sozialbereich, im Kulturbereich und bei der Sportförderung wurde ein solches Machtwort auch beim aktuellen Doppelhaushalt 2018/19 schmerzlich vermisst! 

Kommen wir zu den Stadtverordneten, die sich an die eigene Nase fassen müssen. Kaum lässt irgendwo ein 100-Euro-Schein ein Zipfelchen sehen, übertreffen sich Linke, Andere, SPD und Grüne darin, ihn für soziale Wohltaten unters Volk zu bringen. Das kostenlose Schulessen, die kostenlose ÖPNV-Beförderung für Schüler, Frühstück und Vesper für Kita-Kinder (allein das verursacht Kosten in Höhe von 625.000 Euro pro Jahr) oder die finanzielle Unterstützung von Sozialprojekten sind treffliche Beispiele. Während in anderen Städten in Ost- und Westdeutschland Theater, Orchester, Schwimmhallen und dgl. geschlossen werden, Sport- und Kulturvereine auf großzügige Unterstützung durch den kommunalen Haushalt verzichten müssen oder Sozialprojekte gar nicht erst realisiert werden,  gibt man hier mit vollen Händen das Geld aus. Die finanzielle Unterstützung für Babelsberg 03 oder für den VfL Potsdam sind deutliche Beispiele, und genau genommen können wir uns die jährlichen Zuschüsse für die Freien Träger von Kindertagesstätten auch nicht leisten.

Der dritte im Bunde ist der Oberbürgermeister, der die Gesamtverantwortung für die LHP trägt:
Natürlich sind ihm Pressebilder lieber, in denen er neue Kitas, Bäder oder Jugendsozialeinrichtungen (Freiland), als dass er warnend den Finger vor Überschuldung erhebt – mit Sparmaßnahmen sind keine Wahlen zu gewinnen. Aber er hat auch eine Verpflichtung gegenüber der nachfolgenden Generation, die die Schulden irgendwann abbezahlen muss.Der OB muss zuerst einmal Selbstdisziplin üben; die Zahlungen an die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Höhe von einer Mio. Euro dafür, dass sie keinen Parkeintritt erhebt, ist nur eines von vielen Beispielen. Er muss aber auch dem Kämmerer bei den Sparbemühungen gegenüber den anderen Beigeordneten den Rücken stärken. Und er muss die Beschlüsse der SVV, die unverantwortlich viel Geld kosten,  beanstanden. Dass er das Instrument der Beanstandung kennt, hat er in der Vergangenheit mehrfach bewiesen.

In diesem Zusammenhang ist auch die Kommunalaufsicht zu erwähnen. Sie hat gerade in Finanzfragen eine große Verantwortung und sollte ihr auch gerecht werden. Warum hat sie eigentlich die unverantwortlichen Mehrheitsbeschlüsse der SVV in den vergangenen Monaten nicht kassiert?

Und die Bürger und die Presse? Sie strafen gnadenlos jeden ab, der Sparmaßnahmen, die letztlich unpopulär sind, umsetzt. Die SPD unter Kanzler Schröder und seine Agenda 2010 sind ein warnendes Beispiel, und auch in unserer Stadtverordnetenversammlung haben Linke, SPD, Grüne und Andere, die sich mit sozialen Wohltaten – oft ohne Rücksicht auf die finanziellen Auswirkungen - gegenseitig übertreffen,  mit 39 Stadtverordneten (von 56) eine dominierende Mehrheit.

Bleibt noch der unangenehme Hinweis auf Einnahmeerhöhungen, sei es in Form von Steuererhöhungen oder in der Form der Preiserhöhungen kommunaler Eigenbetriebe oder städtischer Gesellschaften, deren Mehreinnahmen dann direkt oder indirekt ebenfalls in den Haushalt fließen.
Sind tatsächlich Grundsteuer, Hundesteuer u. a. kommunale Steuern heilige Kühe, die man nicht schlachten darf? 

In diese Reihe passen die geplanten Gebührenerhöhungen für Strom, Gas und Heißwasser treffend hinein, deren Mehreinnahmen über den Querverbund der Stadtwerke der Bäderlandschaft oder dem ViP zugute kommen und den kommunalen Anteil reduzieren helfen.

Aber mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein wird es nicht sein.

Insofern ist es dringend an der Zeit, dass sich der OB, der Kämmerer und die Spitzen der Fraktionen zusammensetzen und ein Konzept zur Gesundung des Haushalts erst einmal ohne Denkverbote in kleiner Runde erarbeiten. Der aktuelle Doppelhaushalt mit seinen zusätzlichen unverantwortlichen Ausgaben-Erhöhungen ist es jedenfalls nicht. .

Nur eine solche „konzertierte Aktion“, wie es so schön im Politikerdeutsch heißt, kann noch helfen. Aber sie muss zeitnah kommen, denn der Kapitaldienst, den die LHP in jedem Jahr aufbringen muss, trifft alle hart.

Als verantwortlicher Finanzpolitiker kann man verzweifeln! Aber wir müssen heute handeln, nicht erst in ein paar Jahren, wenn es zu spät ist! Hoffen wir, dass dieser Artikel seinen Teil dazu beiträgt und alle aufrüttelt.

Peter Schultheiß
Potsdamer Demokraten